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Die Bioapfelzüchtung kommt auf einen grünen Zweig

Etwa zehn neue Bioapfelsorten stehen in der Pipeline. Sie kommen alle ohne Kupfer und Schwefel aus. Dass sie zudem gut aussehen und ebenso schmecken, davon konnten sich die Teilnehmer der Poma Culta Fachtagung überzeugen.

«Ich war schockiert, als ich zum Obstbau wechselte», erinnert sich Niklaus Bolliger. «Zuvor war ich im Gemüsebau tätig. Von daher waren mir die massiven Probleme mit Krankheiten und Schädlingen wie im Obstbau neu.» Bolliger nahm diese Beobachtung in den 90er Jahren zum Anlass, sich in der Freizeit intensiv mit Apfelzüchtung zu beschäftigen. Irgendwann merkte er, dass dies nicht reichte, um auf einen grünen Zweig zu kommen. So gründete er 2004 den gemeinnützigen Verein «Poma Culta Apfelzüchtung», mit dem schweizweit einzigen offiziellen Bioapfelzüchtungsstandort. Heute ist es ihm dank Spendern und Gönner möglich, die Hälfte seiner Zeit der Bioapfelzüchtung und seinen drei Hektaren Versuchsfläche zu widmen. Derzeit verleihen auch neue, von Biopartner, dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) und der Bio Suisse finanzierte Projekte der Züchtungsarbeit einen Vorwärtsschub. So zum Beispiel das Projekt «Bio-Apfel mit Genuss». «In diesem Projekt suchen wir nach Sorten, die Kupfer- und Schwefelfrei angebaut werden können und den Herausforderungen des Klimawandels – neue Krankheiten und Schädlinge – gewachsen sind. Wir entwickeln zudem ein Bio-Sortenprüfnetz über die Landesgrenzen hinweg», sagt Beatrice Steinemann vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL). «Es ist eindrücklich zu sehen, wie im Obstgarten von Poma Culta bereits Äpfel reifen, die mit minimalem Pflanzenschutz auskommen und lagerfähige Früchte in Topqualität liefern.»

Der Weg ist das Ziel

«Unsere Zucht kann per Definition kein Endziel haben», erklärt Bolliger seine Arbeit. «Es ist ein kreativer Prozess, der nie stillsteht. Jede Pflanze ist ein Individuum, das mit ihrer Umwelt in stetem Austausch ist.» Ziele für die Zucht sind dennoch klar definiert: Tafelobst von bester Qualität, knackig, saftig und aromatisch. Dies das ganze Jahr über in allen drei Geschmacksgruppen, süss, sauer und würzig. Da sich Resistenzdurchbrüche als fatal erwiesen haben, sucht man explizit keine monogenen Resistenzen. Wichtig sind vielmehr robuste Sorten, die gegenüber einem breiten Spektrum von Krankheiten und Schädlingen tolerant und an den Standort angepasst sind. Zudem soll das Gleichgewicht zwischen generativem und vegetativem Wachstum stimmen. Denn das Ausdünnen von Blüten bedeutet im Biolandbau kostspielige Handarbeit. Im Gegensatz zum konventionellen Anbau, bei dem dieser Arbeitsschritt oft mit Chemie erfolgt.

Auch gute Lagereigenschaften sind gesucht. „Das Warmwasserbad gegen Gloeosporium-Lagerfäule ist zwar wirksam, bedeutet jedoch einen zusätzlichen Arbeitsschritt“, sagt Bolliger. «Darum suchen wir Äpfel, denen die Sporen nicht viel ausmachen.» Zudem sollen die Äpfel im Kühl- oder CO2-Lager aufbewahrt werden können. «Neue Technologien, die Reifungsprozesse komplett blockieren, lehne ich ab», bemerkt Bolliger. «Etwa die sogenannte Smartfresh-Methode, bei der ein chemischer Blocker verhindert, dass die vom Apfel natürlicherweise produzierten gasförmigen Reifungshormone nicht mehr andocken können.»

Damit der Mehrwert der Biozüchtung besser kommuniziert werden kann, ist Poma Culta Mitglied beim Verein Biovertia (www.bioverita.org). Der Verein vergibt das Label «bioverita». Dieses garantiert einen transparenten und biotauglichen Züchtungsprozess. Damit will Bolliger seine neuen Apfelsorten dann auch ausloben.

Gekonnte Ehevermittlung

Um die in der Schweiz vorhandenen alten Genressourcen mit einzubeziehen, unterstützt das BLW das Projekt «Nutzung von Apfel-Genressourcen für den Bio-Anbau», an welchem FiBL, Agroscope und PomaCulta beteiligt sind. Dabei sollen die besten und robustesten, in einem Projekt von Fructus und Agroscope ermittelten, einheimischen Apfelsorten weiter geprüft und wenn sinnvoll wieder wirtschaftlich genutzt werden. Zudem werden sie als Bio-Züchtungseltern verwendet. Zum Schluss werden die «Top 3» Selektionen der alten Apfelsorten, die «Top 3» Selektionen von Agroscope und die «Top 3» von Poma Culta beim FiBL einer Sortenprüfung unterzogen. «Wie jeder gute Ehevermittler, muss ich meine Kandidaten erst einmal kennenlernen, bevor ich geeignete Ehen arrangieren kann», schmunzelt Bolliger. «Daher bin ich froh um die Gelegenheit, alte Sorten auch bei mir im Zuchtgarten aufziehen zu können.»

Viel Lob und Ehre, doch mehrheitlich brotlose Kunst

Vom Samen bis zur Marktreife dauert eine neue Apfelzüchtung mindestens 15 Jahre. Nach der gezielten Bestäubung der Blüten werden im folgenden Winter die Apfelkerne ausgesät. Von den 3000 Sprösslingen werden 100 bis 200 zwei Jahre darauf im Winter von Hand auf eine gängige Typenunterlage veredelt. Weitere drei Jahre später können die ersten Äpfel geerntet werden. Nur wenige entsprechen den hohen heutigen Qualitätsansprüchen. Zudem müssen sie sich im Lager bewähren. Forscherinnen und Forscher von FiBL und von Agroscope testen die Pflanzen ausserdem auf ihre Anfälligkeit auf Feuerbrand, Schorf, die Blattfallkrankheit Marsonnina sowie andere Krankheiten und Schädlinge.

«Wir hätten Kapazitäten für jährlich 6000 Sämlinge sowie ein weiteres Standbein, die Biobirnenzüchtung. Doch fehlt uns im Moment noch das Geld. Wir sind, ausser den genannten Projekten, gänzlich über private Spender finanziert“, sagt Bolliger. „Wir würden uns mehr finanzielles Engagement seitens der Händler wünschen, die schlussendlich auch von der Arbeit profitieren werden.»

Genetische Veränderte Organismen – überschätzt oder bald nicht mehr weg zu denken?

Beim Referat zu den neuen genetischen Züchtungsmethoden von FiBL-Züchtungsexpertin Monika Messmer kamen viele Fragen auf. So frage ein Obsthändler: «Was soll ich tun, wenn ich bald einen konventionellen GVO-Apfel bekomme, der gegen alles resistent ist und darum rein gar nicht mehr gespritzt werden muss? Wie soll ich dann noch einen teureren Bioapfel verkaufen, der noch Pflanzschutzmassnahmen benötigt?» Messmer entgegnete: «Ich denke nicht, dass dies so schnell eintreffen wird. Bis jetzt können nur einzelne Gene verändert, ausgeschaltet oder eingefügt werden. Dazu muss aber die Gensequenz und deren Funktion bekannt sein und das ist nach wie vor bei Pflanzen sehr schwierig. Zudem arbeiten sie immer mit schon bestehenden Sorten. Dem gegenüber ist eine breite genetische Vielfalt, wie wir sie durch Kreuzungen bei den Bioäpfeln erzeugen und nutzen, auf lange Sicht stets im Vorteil.» Auch Markus Kellerhals, Obstzüchtungsexperte bei Agroscope, sieht die Zukunft der Bioapfelzüchtung positiv. «Bessere genetische Methoden helfen im Analysebereich auch der Biozüchtung», sagt Kellerhals. «Sie können helfen, positive Eigenschaften in unseren bestehenden alten Sorten ausfindig zu machen. Dann kann damit gezielt auf klassischem Weg gekreuzt werden».

Franziska Hämmerli, FiBL

Weiterführende Informationen

www.pomaculta.org
 

 

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 28.11.2016

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