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Es brodelt im Biomarkt

Meldung  | 

«Der Kampf um Marktanteile im Biomarkt drückt früher oder später auf die Produzentenpreise.» Unter dieser Titelung erschien in der Augustnummer 2018 der Zeitschrift «Die Grüne» ein lesenswerter Artikel von Eveline Dudda.

Foto: FiBL, Thomas Alföldi


Die Schweizer lieben Bio. Und sie lieben es noch mehr, wenn Bio billig ist. Der Umsatz mit Biolebensmitteln steigt nicht zuletzt deshalb bei der Migros seit 2013 schneller als bei Coop. Der Kampf um Marktanteile drückt früher oder später auf die Produzentenpreise.

Die Schweizer Konsumentinnen sind von Kopf bis Fuss auf Bio eingestellt. Das behaupten sie zumindest in Meinungsumfragen. Tatsächlich stieg der Umsatz mit Biolebensmitteln im letzten Jahr auf den Rekordwert von 2,7 Milliarden Franken an. Das klingt nach viel. Es relativiert sich jedoch, wenn man den Marktanteil betrachtet. Der beträgt gerade mal neun Prozent. Bio befindet sich also auch 25 Jahre nach dem Markteintritt der Grossverteiler immer noch in einer Nische. Der Wille der Konsumenten mag vorhanden sein. Aber wenn sie vor dem Regal stehen, ist Bio vielen Konsumenten doch zu teuer.

Letztes Jahr kostete ein Biowarenkorb laut Marktbeobachtung des Bundesamtes für Landwirtschaft 45 Prozent mehr als derselbe Warenkorb in nichtbiologischer Ausführung. Dieser Warenkorb enthält vier Dutzend Einzelpositionen. Er deckt den Monats-Bedarf einer Familie mit zwei Kindern ab. Obwohl der Umsatz mit Bio-Lebensmitteln steigt, ist der Preisunterschied zwischen den Produkten in den letzten Jahren nicht gesunken. Teilweise ist er sogar grösser geworden. Das liegt nicht an den höheren Produzentenpreisen, sondern an den Handelsmargen. Die sind ein X-faches höher als der Produzenten-Preisaufschlag.

Für Rohmilch bekam ein Biobauer letztes Jahr im Schnitt 17 Rappen mehr als sein ÖLN-Kollege. Im Handel war die Biovollmilch aber 40 Rappen teurer, der Milchdrink sogar 43 Rappen. Beim Vollrahm beträgt der Biopreis gar mehr als das Doppelte vom ÖLN. Noch extremer ist es bei einzelnen Fleischkategorien: Der Produzentenpreis für das Bio-Schlachtschwein liegt rund 3 Franken über ÖLN-Niveau. Das Bioschweinsplätzli kostet dann aber pro Kilo 15 Franken mehr. Der Handel begründet das meistens damit, dass sie nur ein paar Edelstücke mit Bioaufschlag verkaufen können. Den Rest müssten sie in den konventionellen Markt liefern. Das Problem mit dem geringen Anteil an Edelstücken und der Mischrechnung stellt sich aber auch bei der ÖLN-Preisgestaltung.

Coop macht den Aufwand für Qualitätssicherung, Chargentrennung, aufwändigere Rückverfolgbarkeit und die kleineren Mengen für den Mehrpreis verantwortlich. Auch diese Erklärung hinkt: Bis 2015 war das Kilo Bionaturjoghurt zum Beispiel nur knapp einen Franken teurer als sein Nichtbiopendant. Heute liegt die Differenz bei 1.30 Franken trotz konstanter Absatzmengen. Bei der Migros begründet man den höheren Aufpreis damit, dass mit Bioprodukten weniger Aktionen gemacht würden. Zudem seien Bioprodukte weniger lang haltbar. Das mag sein, der Hauptgrund ist aber, dass die beiden Grossverteiler ihre Margen prozentual berechnen. Je teurer ein Produkt ist, desto mehr schlägt der Handel drauf. Wenn Coop-Mediensprecherin Alena Kress behauptet: «Wir verdienen an Bioprodukten unter dem Strich nicht mehr als an konventionellen Produkten», ist das höchstens relativ zu verstehen.

Die Umsätze mit den Biolebensmitteln stiegen bei der Migros seit 2013 um 14 Prozent

Drei von vier Franken für Biolebensmittel werden inzwischen bei Coop oder Migros ausgegeben. Lange wurde die Migros mit Bio nicht so richtig warm. Der Umsatz mit dem hauseigenen «Migros Bio» blieb deutlich hinter dem Umsatz mit der Marke Naturaplan von Coop zurück. Doch die Migros ging 2012 mit dem deutschen Biounternehmen Alnatura eine Partnerschaft ein. Sie eröffnete zahlreiche Biosupermärkte und bietet in den meisten Migrosfilialen Alnaturaprodukte an. Der Umsatz legte bei der Migros seit 2013 um 14 Prozent zu. Bei Coop betrug die Steigerung im selben Zeitraum 7 Prozent.

Coop führt den Bio-Markt zwar immer noch an. Doch die Migros hat ihr in den letzten fünf Jahren Marktanteile abgeluchst. Statt auf 25 kommt die Migros heute auf 33 Prozent Marktanteil, während Coop noch 44 statt wie früher 47 Prozent des Bioumsatzes generiert. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass Coop versuchen wird, Marktanteile zurückzugewinnen. Da kommt das 25-Jahr-Jubiläum der Biomarke Naturaplan gerade recht. Die vielen Aktionen tragen aber nicht nur zur Umsatzsteigerung bei. Sie führen auch zu Preisdruck bei den Produzenten. Denn es ist klar, dass bei Aktionen die «Lasten» – also die Preisabschläge – innerhalb der Wertschöpfungskette verteilt werden. Da helfen auch die vereinbarten Richtpreise nichts.

Migros und Coop verwenden unterschiedliche Marken: Migros setzt auf Migros Bio und Alnatura, während Coop Naturaplan verwendet. Bei Naturaplan müssen die Knospe-Standards von Bio Suisse erfüllt werden. Bei Alnatura reichen die weniger strengen Anforderungen gemäss Bio-Verordnung. Ob der Importanteil bei Alnaturaprodukten höher ist als bei Naturaplanprodukten ist unklar. Es gibt keine spezielle Zollstatistik für den Biobereich. Migros-Mediensprecherin Martina Bosshard schreibt zwar, dass bei der Migros «der Anteil Import gleich ist wie beim konventionellen Sortiment, weil dieser primär durch die saisonale Verfügbarkeit beeinflusst wird». Die Saisonalität spielt aber nur bei Gemüse und Früchten eine Rolle. Laut Bosshard beträgt der Importanteil beim Biogemüse rund 40 Prozent, bei Biofrüchten rund 60 Prozent. Gemüse und Früchte sind zwar die stärksten Umsatztreiber. Sie machen aber nur rund einen Drittel der Ausgaben für den Biowarenkorb aus. Branchenkenner beobachten, dass die Importe von Bioprodukten steigen – und parallel dazu der Preisdruck.

Die Knospe ist das bekannteste Biolabel und sorgt auch für Grenzschutz der Produkte

Die Knospe ist die Marke von Bio Suisse. Sie ist das mit Abstand bekannteste Biolabel. Mehr als 93 Prozent der Biobauern wirtschaften nach den Vorgaben von Bio Suisse. Wer auf Bio umstellen will, kommt an Bio Suisse fast nicht vorbei. Massengüter wie Getreide oder Milch lassen sich ohne Bio-Suisse-Zertifizierung kaum verkaufen. Dank der monopolartigen Stellung hat Bio Suisse mit der Knospe die ganze Wertschöpfungskette in der Hand. Bei Knospe-Produkten müssen nämlich alle Erzeuger, Handels- und Verarbeitungsstufen zum Zeitpunkt des Warenflusses nach Bio-Suisse-Richtlinien zertifiziert sein.

Die Markeninhaberin sorgt gleichzeitig für Grenzschutz: Nur wenn die Schweizer Produktion den Bedarf nicht deckt, dürfen Biorohstoffe mit Bewilligung von Bio Suisse importiert werden. 2018 wird zum Beispiel das erste Mal eine Vollversorgung mit heimischem Biofuttergetreide erwartet. Deshalb hat Bio Suisse an der Richtpreisrunde mit Produzentenvertretern, Mischfutterherstellern und Importeuren einen Importstopp für Gerste, Hafer und Triticale beschlossen. Wer dennoch Biofuttergetreide importiert und verarbeitet, darf das Produkt nicht mehr mit der Knospe auszeichnen. Für die Bioproduzenten ist das grundsätzlich positiv. In Deutschland liefern sich die unterschiedlichen Biolabels einen Preiskampf. Bio Suisse kann dagegen die heimischen Biobauern vor der ausländischen Konkurrenz schützen und die Preise hochhalten. Dass die meisten Produzentenpreise für Biobauern nach wie vor attraktiv sind, ist also in erster Linie Bio Suisse zu verdanken. Sie hat das gute Image der Knospe geprägt.

Bei Alnaturaprodukten ist das anders. Alnatura ist ein deutsches Unternehmen. In Alnaturaprodukten stecken zwar teilweise schweizerische Rohstoffe und manches wird in der Schweiz verarbeitet. Doch die Anforderungen sind weniger streng. Die Voraussetzungen liegen nur minim über den EU-Bio-Vorschriften oder den gleichwertigen Vorgaben der Schweizer Bio-Verordnung. Vor allem aber gibt es keine Vorgaben zu den Importanteilen. Der Vormarsch der Alnaturaprodukte ist deshalb eher bedenklich.

Bio Suisse erwirtschaftete 2017 rund eine Milliarde Franken mit Knospe-Produkten

Bio Suisse kann es sich nicht erlauben, so etwas zu sagen, solange von der steigenden Nachfrage nach Bioprodukten auch Knospe-Produzentinnen und Produzenten profitieren. Entsprechend vorsichtig formuliert Bio-Suisse-Mediensprecherin Ania Biasio die Haltung von Bio Suisse zu den Alnaturaprodukten: «Wir würden es natürlich begrüssen, wenn der Anteil an Knospe-Produkten insbesondere aus Schweizer Bioproduktion erhöht würde.» Das Bedauern hat nicht zuletzt monetäre Gründe: Die Lizenz-Einnahmen für Knospe-Produkte machen 63 Prozent des Bio Suisse-Budgets aus. Letztes Jahr wurde rund eine Milliarde Franken mit Knospe-Produkten erwirtschaftet. Das spülte 9,5 Mio Franken Lizenz- und Markennutzungsgebühren in die Kasse von Bio Suisse. Dass die Lizenzeinnahmen deutlich weniger stiegen als der Umsatz mit Bioprodukten, kann Bio Suisse nicht egal sein. Denn es bedeutet, dass die Knospe an Wert verliert.

Der Biofachhandel gibt Gegensteuer und will das System der Preisbildung ändern

Noch kritischer ist die Entwicklung für den Biofachhandel. Dort stagniert der Umsatz mittlerweile. Mit 275 Millionen Franken Umsatz decken sie nur noch zehn Prozent des Biomarktes ab. Der neugegründete Verein Svizra AgriCultura unternimmt nun den Versuch, das bisherige System der Preisbildung umzukehren. Die Bauern sollen einen Existenz sichernder Produzentenpreis für hochwertige Bioprodukte mit Abnahmegarantie erhalten. Es handelt sich dabei weder um eine Branchen- noch um eine Labelorganisation. Der Kanal Svizra AgriCultura steht allen Bio- und Demeterbetrieben sowie Umstellern offen. Die Betriebe können sich mit eigenen Vorstellungen für einen nachhaltigen Biolandbau bewerben und ein eigenständiges Produkteangebot mitsamt Preisvorstellung unterbreiten. Die Angebote werden dann von einer Jury bewertet.

Svizra AgriCultura wird von der Bio Partner Schweiz AG mitgetragen, der führenden Biogrosshändlerin der Schweiz. Bei erfolgreicher Zulassung treffen die Landwirte mit Bio Partner Schweiz eine Vereinbarung über den nötigen Preis und die zugesicherte Abnahmemenge. Dieser Vertrag soll ihnen nachhaltiges Wirtschaften mit existenzsichernden Preisen ermöglichen.

Verena Rohrer, Geschäftsführerin von Bio Partner, weiss: «Es wird sicher eine grosse Herausforderung sein, das zu kommunizieren.» Aber sie steht dahinter. «Alle müssen soviel verdienen, dass sie nachhaltig wirtschaften können. Die Verarbeitungsbetriebe und der Handel brauchen auch ihre Marge, aber es soll sich niemand bereichern.» Faire Preise, so Rohrer, schreiben sich heute zwar einige Marktplayer auf die Fahne. Aber am Ende sei es dann doch meistens so, dass derjenige, der nicht zum erwünschten Preis liefern kann oder will, leer ausgeht. «Mit Svizra AgriCultura wollen wir das System der gewohnten Marktlogik, dass der Handel diktiert, umkehren.»

Erste Produkte von Svizra AgriCultura sollen bereits gegen Ende 2018 in den Regalen unabhängiger Bioläden stehen. Dann ist es an den Konsumentinnen und Konsumenten zu zeigen, wie ernst es ihnen mit dem Bekenntnis zu Bioprodukten ist.

Dieser Artikel von Eveline Dudda erschien im August 2018 in «Die Grüne» und steht dort online zur Verfügung: https://www.diegruene.ch/blog/bio-markt-knospe-biosuisse 

Hinweis: Dies ist eine tagesaktuelle Meldung. Sie wird nicht aktualisiert.

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