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Die Plattform der Schweizer Biobäuerinnen und Biobauern

Funktionelle Biodiversität funktioniert, aber es gibt viele offene Fragen

Meldung  | 

Die 11. Nationale Ackerbautagung in Biel hat sich mit der umstrittenen funktionellen Biodiversität im Ackerbau beschäftigt. Dabei haben auch verschiedene FiBL Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Auskunft gegeben über ihre Projekte.

Die Plattform Ackerbau hat die Nationale Ackerbautagung bereits zum 11. Mal durchgeführt.

Projektleiterin Maike Krauss vom FiBL berichtet über erste Ergebnisse aus dem Projekt Streifenanbau, welches das FiBL gemeinsam mit Agroscope durchführt. Foto: FiBL, Adrian Krebs

Valentin Gfeller vom FiBL beleuchtete die Bedeutung des Mikrobioms im Wurzelbereich von Nutzpflanzen. Foto: FiBL, Adrian Krebs

Die Podiumsrunde: Markus Richner, Martin Bertschi, Pierre-Yves Perrin, Christian Rytz und Martin Bossard mit Gesprächsleiter Andreas Keiser (v.l.). Foto: FiBL, Adrian Krebs

Die funktionelle Biodiversität im Ackerbau erhitzt seit einiger Zeit die Gemüter. Hauptanlass ist die Einführung eines Mindestanteils von 3,5 % Biodiversitätsförderfläche (BFF) im Ackerbau im Ökologischen Leistungsnachweis (ÖLN). Das Obligatorium gilt allerdings nur für Betriebe mit über 3 ha Ackerfläche.

Zweimal verschobene Einführung
Zur Verfügung steht den Produzenten und Produzentinnen ein siebenteiliger Katalog mit möglichen Massnahmen, die künftig erfüllt sein müssen, wenn ein Betrieb noch Direktzahlungen erhalten will.

Künftig, das heisst neu ab 2025. Ursprünglich war eine Einführung per 2023 angestrebt worden, doch der Termin wurde zweimal verschoben. Zu den Biodiversitätsförderflächen im Acker zählen folgende Massnahmen:

  • Ackerschonstreifen
  • Einjährige Nützlingsstreifen
  • Mehrjährige Nützlingsstreifen
  • Buntbrache
  • Rotationsbrache
  • Saum auf Ackerfläche
  • Getreide in weiter Reihe («Hasenweizen»)

Obwohl diese Massnahmen nun erst im Dezember durch das Parlament noch einmal vertagt wurden, erhalten die Betriebe, welche die Massnahmen nun schon umsetzen bereits 2024 die ihnen zustehenden Beiträge. Diese variieren massiv, je nach Programm. So erhält man für eine mehrjährige Buntbrache 3800 Fr./ha, während das Getreide in weiten Reihen mit lediglich 300 Fr./ha zu Buche schlägt. Das Getreide in weiten Reihen kann nur für maximal die Hälfte der 3,5 % BFF angerechnet werden.

Zuwenig Ziel-Orientierung im System
Anlässlich der Nationalen Ackerbautagung vom 11. Januar, organisiert von der Plattform Ackerbau, wurden einerseits Forschungsprojekte vorgestellt, die sich direkt mit den Massnahmen befassen. Andererseits stand das Vorgehen der Behörden im Zusammenhang mit dem 3,5-%-Obligatorium zur Diskussion. Allgemeiner Tenor war hier, dass den Produzentinnen und Produzenten der Nutzen der honorierten Massnahmen oft zuwenig klar ist, nicht zuletzt weil die Programme zu stark Massnahmen-orientiert und zuwenig Ziel-orientiert seien.

Nutzen nicht immer rasch erkennbar
Auch rein agronomisch gesehen, ist der Nutzen der einzelnen Beitragstypen nicht immer ohne Umschweife erkennbar. So gibt es etwa beim Getreide in weiten Reihen (auch Hasenweizen genannt) gewisse Zweifel an der Sinnhaftigkeit. So liegen aufgrund der grossen Abstände im Winter rund 40 Prozent der Ackeroberfläche brach. Das ist ein klassischer Zielkonflikt zwischen Biodiversität und möglichst umfassender Bodenbedeckung.

Reduzierte Saatdichte bei weiten Reihen empfohlen
Gleichzeitig gibt es ungeklärte Fragen in Sachen Unkrautdruck und bezüglich der effektiven Hasenförderung. Hier war man sich einig, dass sich die Langohren in Gebieten ohne Hasen auch mit dem neuen Weizensaatverfahren nicht ohne weiteres ansiedeln lassen.

Die Ertragsverluste durch das BFF-Verfahren sind aber einigermassen überblickbar. Martin Bertschi vom Forum Ackerbau bezifferte sie auf rund 6 Prozent, abhängig vom angewandten Verfahren. Er empfahl den Produzentinnen und Produzenten eine reduzierte Saatdichte, da ansonsten die Pflanzen zu nahe beieinander zu stehen kommen.

Buntbrachen helfen, Schädlinge zu dezimieren
Es gab daneben weitere Erfolgsmeldungen in Biel. So berichtete Kaja Jacot von Agroscope, dass sich mit Buntbrachen mehr Nützlinge auf den Äckern tummeln, als ohne. Diese helfen, die Schädlinge zu dezimieren, so Jacot. Neben Buntbrachen liege die Zahl der Getreidehähnchen-Larven um zwei Drittel tiefer als auf den Kontrollflächen ohne. Der Blattschaden sei entsprechend um 40 Prozent geringer. Das schlage sich auch im Weizenertrag nieder, der neben Buntbrachen 10 Prozent höher liege als auf den Versuchsflächen ohne angrenzende Blumenpracht.

Vererbbare Pflanzenqualitäten im Wurzelbereich
Im Rahmen der Tagung wurden auch zwei FiBL Projekte vertieft vorgestellt. Valentin Gfeller präsentierte seine Erkenntnisse unter dem Titel: «Fördert die Mikrobendiversität die pflanzliche Resistenz? Mögliche Rolle von Wurzel-assoziierten Mikrobiomen bei der Züchtung».

Die BauernZeitung fasste den Vortrag kompakt zusammen: «Die Eigenschaft einer Pflanze, ein für ihre Gesundheit und Robustheit förderliches Bodenleben an ihren Wurzeln (Mikrobiom) zu versammeln, ist vererbbar», bilanziert das Blatt die von Gfeller präsentierten Erkenntnisse. Zwar spielten Faktoren wie das Wetter oder der Standort ebenfalls eine grosse Rolle. «Gfeller hofft aber, dass in einem nächsten Schritt gezielt auf ein diverses Mikrobiom hin gezüchtet werden kann».

Streifenanbau: alte Idee, aber wenig erforscht
Maike Krauss erläuterte das Projekt «Streifenanbau – Neue Wege zur Schädlings- und Krankheitsregulierung im Biolandbau», welches das FiBL gemeinsam mit Agroscope durchführt. Die Projektleiterin erklärte, dass die Biodiversitt mit abnehmender Feldgrösse zunimmt. «Beim Streifenanbau werden Kulturen als Reinsaat in Streifen nebeneinander angebaut», heisst es dazu ergänzend auf der Projekt-Webseite. Und weiter: «Durch die Barrierewirkung und kleinräumige Diversität wird der Befallsdruck von Schädlingen und Krankheiten reduziert und es werden Nützlinge gefördert». Obwohl die Idee des Streifenanbaus alt sei, gebe es dazu noch wenige Forschungspublikationen, sagte Krauss.

Diese Fragen gilt es zu klären
In enger Zusammenarbeiten mit am Projekt beteiligten Landwirtinnen und Landwirten sollen nun folgende Fragen geklärt werden:

  • Mit welchen Kulturkombinationen ist der Streifenanbau anbautechnisch gut realisierbar?
  • Wie kann der Streifenanbau in einem kleinräumigen Relief mit der RTK-Technologie praktisch umgesetzt werden?
  • Wie gross ist das Potential des Streifenanbaus für Raps, Kartoffeln und Zuckerrüben zur Regulierung von Schädlingen und Krankheiten?
  • Ist der Streifenanbau in den kleinbetrieblichen Strukturen der Schweiz ökonomisch überhaupt interessant?

Das Projekt dauert von 2022 bis 2026 und wird vom BLW sowie der Stiftung Sur-la-Croix finanziert.

Einige Statements aus dem abschliessenden Podiumsgespräch unter der Leitung von Andreas Keiser (HAFL) sinngemäss zusammengefasst

Pierre-Yves Perrin, Geschäftsführer Schweizerischer Getreideproduzentenverband
Weil die Ziele der BFF-Massnahmen nicht wirklich klar sind und weil man nicht weiss, wie sie verfolgt werden müssen, sind viele Landwirte und Landwirtinnen nicht wirklich motiviert, diese umzusetzen. Dazu kommt, dass durch das zusätzliche Unkraut und seine Samen die Qualität der Ernte vermindert wird. Zudem werden Ernteausfälle durch BFF-Massnahmen nicht ausreichend kompensiert.

Martin Bertschi, Bereichsleiter Pflanzenbau & Agrartechnik Strickhof
Leider ist es immer noch cooler, in der Beiz über hohe Erträge als über Erfolge in der Biodiversität zu sprechen. Veranstaltungen zur Produktionstechnik werden besser besucht, als Veranstaltungen zur Biodiversität. Hier braucht es mehr Beratung vor Ort. Ich glaube, dass einfache Massnahmen zwar für den Vollzug einfacher sind; zielführender wäre es aber, in Potenzialregionen kleinräumige Massnahmen umzusetzen.  

Markus Richner, Leiter Fachbereich Direktzahlungsprogramme BLW
Wir sollten den Diskurs nicht Zielkonflikt-orientiert sondern Synergien-orientiert führen, das muss künftig in der Agrarpolitik die Klammer sein. Wir müssen einen Mehrwert für Biodiversität als Produktionsgrundlage für die Landwirtschaft erreichen. Es gibt interessante Projekte wie etwa ZiBiF im Kanton Zürich (s. untenstehenden Link), wo den Bauern mehr Ziele gesteckt und weniger Massnahmen vorgeschrieben werden. Das brauche aber ein grosses Commitment von Seiten der Bäuerinnen und Bauern.

Christian Rytz, Geschäftsführer Mühle Rytz
Die ganze BFF-Problematik ist sehr, sehr komplex. Wir haben bei uns zwei Agronomen und die sind schlicht nicht im Stand, die Landwirtinnen und Landwirte zu beraten, es braucht dafür mehr Merkblätter. Ich habe mich noch nie so hilflos gefühlt, wenn mich eine Produzentin oder ein Produzent fragt, was soll ich jetzt machen.

Martin Bossard, Politikverantwortlicher Bio Suisse
Wir haben eine Lücke zwischen der Wissenschaft, die uns sagt wie es ist und was wir tun können einerseits und einer nicht sehr responsive Politik mit Mehrheiten, die nicht dazu ermutigen, mehr Massnahmen zu ergreifen. Die Menschheit versucht, das sechste Massenaussterben zu verhindern und die Gesellschaft kann nicht adäquat darauf reagieren.

Adrian Krebs, FiBL

Weiterführende Informationen

Hinweis: Dies ist eine tagesaktuelle Meldung. Sie wird nicht aktualisiert.

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