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Biolandbau mitten im Krieg

Meldung  | 

Bio hatte sich in der Ukraine stark entwickelt – bis zum Ausbruch des Krieges. Zwei Jahre danach werden die Auswirkungen auf den Handel und den Biolandbau in der Schweiz deutlich.

Feldtage auf Biobetrieben waren vor dem Krieg auch unter ukrainischen Biobäuerinnen und -bauern wichtig für den Austausch und als Treffpunkt. Foto: Tom Kawara

In vielen Gebieten an der Grenze zu Russland waren Landwirtschaftsbetriebe einer der ersten Leidtragenden des Krieges. Foto: QFTP, Iryna Vysotska

Oleksandr Yushchenko steht seit vielen Jahren in engem Kontakt zur Schweizer Biobranche. Foto: FiBL, Tobias Eisenring

Wie bedeutend die ukrainische Landwirtschaft vor dem Kriegsgeschehen war, zeigen statistische Kennzahlen aus dem Jahr 2019. Damals zählten knapp 41 Millionen Hektaren zur landwirtschaftlichen Nutzfläche. Über sechs der 42 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer waren in der Landwirtschaft beschäftigt, die ein Zehntel am Bruttoinlandsprodukt beisteuerten. Das Land zählt zu den grössten Exporteuren von Sonnenblumenöl und Weizen, für den europäischen Markt waren zudem Futtermittelexporte von grosser Bedeutung. Noch 2020 betrug die biologisch zertifizierte und in Umstellung befindende Anbaufläche in der Ukraine über 450'000 Hektaren, was etwa der Grösse Mallorcas entspricht. Die biologische wie nicht biologische Landwirtschaft der Ukraine war bis vor Kriegsausbruch ein wichtiger Wachstumsmarkt.

Ein Jahr Krieg reduzierte die biologische Anbaufläche um circa ein Drittel. Vor 2022 exportierte der Biosektor der Ukraine drei Viertel der landwirtschaftlichen Produkte nach Europa, heute sind es über 85 Prozent der Menge. Unter anderem, weil die Transportwege nach Nordamerika für den ukrainischen Handel über das Schwarze Meer nach wie vor eingeschränkt sind. Mit über 85'000 Tonnen war dabei Mais die wichtigste nach Europa exportierte Kultur, gefolgt von Futtersoja mit 30'000 Tonnen und Weizen mit 15'000 Tonnen. Für das Jahr 2023 sind noch keine aktuellen Zahlen erhältlich.

Unsicherheiten im Handel
Medial gerieten die Handelswege für Getreide und Futtermittel 2022 in den Fokus, gleichzeitig stieg die Angst vor Versorgungslücken mit Getreide vor allem in afrikanischen Ländern. Tatsächlich gingen trotz blockierter Häfen und anderen Handelshindernissen wie dem verkündeten Ausfuhrstopp die Exportmengen 2022 zum Vorjahr nur leicht zurück. Das bestätigt auch Bernhard Blum von der Mühle Steiner in Zollbrück BE. «Nach der Pandemie ging es direkt in den Krieg und alle hatten noch volle Lagerbestände», erklärt er. Die Importe im letzten Jahr waren aber bis zuletzt sehr ungewiss. 2023 habe man Lotto gespielt, trotzdem konnten die bestellten Mengen geliefert werden, so Bernard Blum. «Wir haben auf Vorrat gekauft, weil wir ja nicht wussten, ob die Mengen durchkommen, oder nicht». Für 2024 rechnet die Steiner-Mühle mit der eingeplanten Menge Buchweizen und Hirse. Insgesamt habe die Verfügbarkeit bei verschiedenen Produktgruppen teilweise abgenommen. Trotzdem sehe man die Situation langsam wieder etwas zuversichtlicher.

Geht der Rückgang an Importware aus der Ukraine weiter, müssen alternative Handelskanäle gefunden oder aufgebaut werden. Gleichzeitig findet durch den zunehmenden Ausbau der inländischen Produktion bereits eine Verschiebung bei der Abnahmequote für inländisches Getreide statt. Laut Bernard Blum greifen die Mühlen bereits vermehrt auf inländische Ware zurück. 2022 habe man beispielsweise noch grössere Mengen an Dinkel aus der Ukraine bezogen, 2023 dann nicht mehr. Grund dafür ist das Branchenreglement für Knospe-Brotgetreide zwischen der Bio Suisse und ihren Partnern in der Verarbeitung, das die priorisierte Abnahme der Schweizer Produktion durch die Lizenznehmer und Verarbeiter festschreibt. Ob die daraus absehbaren Preissteigerungen auf lange Sicht von den Konsumentinnen und Konsumenten akzeptiert werden, ist aber auch eine Frage, die sich im Zusammenhang mit der Ackerbau-Offensive der Bio Suisse stellt.

Verbesserte Wertschöpfung im ukrainischen Biomarkt
Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL ist seit 2005 in verschiedenen Entwicklungsprojekten in der Ukraine aktiv, alle finanziert durch das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO). Seit 2019 läuft das Projekt Quality Food Trade Program (QFTP), das im Juli bis 2026 verlängert wurde. Das Projekt hat zum Ziel, nachhaltigen Handel zu fördern und in der Ukraine Arbeitsplätze im Biolandbau und im Milchsektor zu schaffen. Unterstützt werden kleine und mittlere Betriebe im Bio- und Milchsektor.

 «Dass das SECO mitten im Krieg entschieden hat, das Projekt um vier Jahre zu verlängern, war für alle Beteiligten ein wichtiges Zeichen und eine grosse Unterstützung», sagen Tobias Eisenring und Toralf Richter vom FiBL. Nicht wenige internationale Projekte und Organisationen haben seit Kriegsausbruch ihre Mitarbeitenden aus der Ukraine abgezogen oder Projekte pausiert. Nicht so das FiBL: Nach wie vor arbeitet ein Team von 11 Personen in der Ukraine. Für Tobias Eisenring ein grosser Erfolg, dass man ohne Unterbruch arbeiten und das sehr engagierte Projektteam bis heute zusammenhalte konnte.

Jeremias Lütold, FiBL.
Dieser Artikel ist im Bioaktuell Magazin 2/2024 erschienen.

Weiterführende Informationen

Projekt «Quality Food Trade Program» (FiBL Projektdatenbank)
Video «Biohandel in Zeiten des Krieges: Rolle der Frauen bei der ukrainisch-schweizerischen Zusammenarbeit» (FiBLFilm, deutsche Untertitel)

Hinweis: Dies ist eine tagesaktuelle Meldung. Sie wird nicht aktualisiert.

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