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Artenvielfalt im Rebberg dank «Powersaat»

Meldung  | 

Eine Saatmischung, an deren Entwicklung das FiBL beteiligt war, soll eine grössere Pflanzenvielfalt und Farbe in artenarme Fahrgassen von Schweizer Rebbergen bringen. Katja Jacot von Agroscope zieht eine erste positive Zwischenbilanz zum Projekt, an dem rund fünfzig Winzerinnen und Winzer aus zahlreichen Regionen der Schweiz mitwirken.

Eine blühende Fahrgasse im Mai 2020 in Oberflachs AG. Foto: Agroscope, Katja Jacot

Katja Jacot begutachtet eine Nisthilfe im Rebberg. In einem Pilotversuch wurden Eier und Larven von drei Wildbienenarten ausgesetzt. Foto: LID, Regine Imholz

Katja Jacot betrachtet eine Nisthilfe für Wildbienen, die mitten in einem Rebberg in Watt bei Regensdorf ZH hängt. Die fliegenden Nützlinge gehören zu dem Projekt, das von Agroscope mit Unterstützung durch mehrere Stiftungen, dem Bundesamt für Umwelt BAFU, dem Bundesamt für Landwirtschaft BLW und Otto Hauenstein Samen OHS vor zwei Jahren gestartet wurde. Die Agronomin ist wissenschaftliche Co-Leiterin des Projektes, bei dem mittlerweile rund fünfzig Winzerinnen und Winzer aus zahlreichen Regionen des Landes mitmachen. Zusammen mit dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL forschte Agroscope intensiv an einer Saatmischung, die Artenvielfalt und gesunde Reben in die Weinberge bringen soll.

Die Fahrgassen, die bis anhin fast ausschliesslich mit Gräserarten, Löwenzahn und Hahnenfuss bewachsen waren, sollten agrarökologisch aufgewertet werden. Im neu ausgetüftelten Saatgut sind rund dreissig Pflanzenarten wie Ackersenf, wilde Möhre, Esparsette, Flockenblume und Hornklee enthalten. Diese sollen mit angepasster Bewirtschaftung konkurrenzstarke Arten wie zum Beispiel Raygras zurückdrängen. Durch die angestrebte Pflanzenvielfalt und Blütendichte sollen auch Bestäuber und andere Nützlinge in den Weinberg gelockt und dadurch die Schädlinge dezimiert werden.

Noch in der Entwicklungsphase

Die Zwischenbilanz ist laut Katja Jacot erfreulich: «Bei rund achtzig Prozent der Winzerinnen und Winzer verläuft der Versuch erfolgreich.» Das heisst, dass viele der gesäten Arten regelmässig in den Fahrgassen aufkommen. «Vom Frühling bis tief in den Herbst hinein blüht immer etwas», konkretisiert sie. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Fahrgassen statt viermal nur noch ein- bis zweimal im Jahr geschnitten werden müssen. Auch wenn die Ergebnisse in den Weinbergen bis jetzt positiv sind, wird weiter geforscht. «Wir sind immer noch in der Entwicklungsphase», erklärt die Agronomin. Denn wenn achtzig Prozent der Fälle erfolgreich sind, heisst das, dass es bei zwanzig Prozent der angesäten Flächen nicht funktioniert hat. Woran liegt das?

Jacot sieht verschiedene Faktoren, die zu einem Misserfolg beigetragen haben könnten. Manchmal war die Sämaschine nicht optimal eingestellt und die kleinen leichten Samen wurden zu tief in den Boden gedrückt. «Bei kleinen Flächen ist es sicher von Vorteil, wenn von Hand angesät wird», sagt die 49-Jährige. Die Ansaatfläche pro Rebparzelle beträgt zwischen 200 und 800 Quadratmetern. Oder der Boden war für die angesäte Mischung zu nährstoffreich und zu tonhaltig, was das Wachstum der falschen Pflanzen begünstigte. «Wir müssen die Mischung jeweils den Böden anpassen», sagt Jacot. Ausserdem spiele das Klima eine Rolle.

Enger Austausch mit Winzerinnen und Winzern

Es gibt vieles zu beachten beim Management der Fahrgassen, die mit dem «Powersaatgut» angesät wurden. So ist es entscheidend, die richtige Schnitthöhe zu wählen. «Wenn man unter zehn Zentimeter schneidet», erklärt die Expertin, «wird das Wachstum von nicht erwünschten Gräsern gefördert, und die frisch gekeimten Wildblumen werden geschwächt.» Sofort nach dem Säen muss der Boden gewalzt werden – mit der richtigen Walze. «Die Rauhwalze eignet sich dazu optimal», präzisiert sie. Ausserdem eignet sich eine Junganlage für die Ansaat besser, weil sich noch keine starke Grasnarbe entwickelt hat. Und im ersten Jahr soll der Säuberungsschnitt vor dem Versamen von unerwünschten Arten wie Amaranth vorgenommen werden. «Nicht zu vergessen: die Unterstockpflege», erklärt die Agronomin, «wenn man diese vernachlässigt, fressen die Schnecken die frisch gekeimten Kräuter.»

All diese Erkenntnisse konnten Jacot und ihr Team nur dank des engen Austauschs mit den experimentierfreudigen Winzerinnen und Winzern gewinnen. «Dieses Feedback ist sehr wichtig», sagt sie, «es verschafft uns die Erfahrungen, die es für die Weiterentwicklung und die Umsetzung in die Praxis braucht.»

Wildbienen und Schlupfwespen

Grosse Hoffnungen setzen die Forschenden auf Wildbienen und Schlupfwespen. Durch die neue Pflanzenvielfalt steht den Nützlingen ein üppiges Buffet zur Verfügung. Jacot und ihr Team haben in einem Pilotversuch in jeweils zwei «erfolgreichen» und zwei «misslungenen» Rebbergen Eier und Larven von drei Wildbienenarten in Nisthilfen ausgesetzt. Im nächsten Frühling wird sich zeigen, ob die geschlüpften Wildbienen tatsächlich in diese Rebberge zurückkehren und dort eine Population aufbauen, wenn die passende Nahrung vorhanden ist.

Die Sache hat jedoch einen Haken: Wenn zu viel Pflanzenschutzmittel oder bei hohem Blütenangebot gespritzt wird, könnten die neuen Populationen darunter leiden. «Das wäre fatal», gibt Jacot zu bedenken. Auch Bio-Spritzmittel wie Kupfer könnten die Tiere töten. Auch deshalb wird bei Neuanlagen vermehrt darauf geachtet, dass pilzresistente Sorten gepflanzt werden, die weniger Spritzmittel brauchen. «Die Forschung macht in dieser Hinsicht grosse Fortschritte», sagt sie, «die Reben der Zukunft werden tatsächlich mit viel weniger Pflanzenschutz auskommen.»

Herbstsaat als Option

Was die Schlupfwespe betrifft, haben die Forschenden im Rahmen dieses Projektes bis anhin keine Daten erheben können. Auf den kleinen Nützling setzen sie grosse Hoffnungen. «Zurzeit sehen wir noch keine Auswirkungen auf die Kirschessigfliege», sagt Jacot, «aber wir machen erste Untersuchungen bei der diesjährigen Traubenernte.»

Auch bei der Frage, welchen Effekt die «Powersaat» auf die Rebe, bzw. die Traube hat, ist Geduld angesagt. Antworten sollen Messungen im nächsten Jahr liefern. Ein Novum sind die Versuche mit Herbstsaaten diesen September. Bisher wurden die Saatmischungen stets im Frühling ausgebracht. «Ich kann mir gut vorstellen, dass die Herbstsaat der artenreichen Mischung für gewisse Lagen eine Option ist», sagt die Agronomin. Ziel des Projektteams ist es, die Winzerinnen und Winzer weiterhin zu begleiten und die Mischung des Saatguts und die Bewirtschaftung weiter zu optimieren.

LID-Mediendienst Nr. 3486 vom 31. Juli 2020, von Regine Imholz


Weiterführende Informationen
Biorebbau (Rubrik Pflanzenbau)
Biodiversität (Rubrik Pflanzenbau)

Hinweis: Dies ist eine tagesaktuelle Meldung. Sie wird nicht aktualisiert.

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