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Die Plattform der Schweizer Biobäuerinnen und Biobauern

Der Bioackerbau braucht Krisenfestigkeit

An der Bioackerbautagung 2024 stand die Widerstandskraft der Landwirtschaft im Zentrum. Die Referentinnen und Referenten zeigten Wege auf, um mit den Herausforderungen durch den Klimawandel umzugehen.

«Die letzten Anbaujahre waren geprägt von unterschiedlichen klimatischen Herausforderungen», schrieben die Verantwortlichen der Bioackerbautagung 2024 in ihrem Programm. «Daher wollen wir uns zu Beginn des Jahres 2024 Gedanken zum Leitthema - Resilienter Bioackerbau trotz Klimawandel - machen».

Marktzahlen zum Auftakt
Die offene Bioackerfläche belief sich laut aktuellem Stand im vergangenen Jahr schweizweit auf 29432 Hektare. Die 2022 lancierte Ackerbau-Offensive von Bio Suisse soll einen Zuwachs der offenen Ackerfläche bringen. Laut Hanna Marti von Bio Suisse rechnet man für 2024 mit einem Zuwachs von 884 Hektaren, dies entspräche einem Zuwachs von drei Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Anna Rudolf von Rohr von Bio Suisse empfahl Umstellende die folgende Fruchtfolge: 40 Prozent Mahlweizen, 20 Prozent Körnerleguminosen für Futterzwecke, 20 Prozent Kunstwiese, sowie 20 Prozent Körner- und Silomais oder Zuckerrüben. So soll verhindert werden, dass es zu einer Über- oder Unterversorgung kommt.

Brotweizen bleibt am wichtigsten
Von der biologisch bewirtschafteten offenen Ackerfläche2023 waren 36,3 Prozent dem Brotgetreide gewidmet, 21,8 Prozent dem Futtergetreide, 8,8 Prozent dem Silo- und Körnermais sowie 33,1 Prozent den restlichen Kulturen.

Brotweizen bleibt die mit Abstand wichtigste Kultur. Im vergangenen Jahr betrug der Inlandanateil 57 Prozent. Beim Dinkel hingegen lag man mit 89 Prozent deutlich höher. Für den Fall einer guten Ernte hätte man sogar mit einer Überversorgung rechnen müssen, weshalb vorsichtshalber ein Rückbehalt für allfällige Deklassierungen eingeführt wurde. Dies sorgte bei den Produzenten und Produzentinnen für Aufruhr, wie Marti berichtete.

Im Alpenraum wird’s warm
Jan Landert vom FiBL präsentierte die Fakten in Sachen Klimawandel ohne in Untergangsszenarien zu verfallen. Er prognostizierte, dass in Frick 2070 ein ähnliches Klima herrschen dürfte, wie das heutige in der sehr produktiven italienischen Poebene.

Landert stellt in Aussicht, dass sich die Eignung von Flächen zum Maisanbau vom Mittelland in den Voralpenraum verschieben. Zudem dürften die Erträge künftig stark von den möglichen Bewässerungsmengen und -möglichkeiten abhängen. Bei Kartoffeln geht er beispielsweise davon aus, dass bis 2060 eine um 20 bis 30 Prozent höhere Wassermenge für Bewässerung nötig sein wird.

Raufuttererträge nehmen ab
Heute seien bereits fünf Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in der Schweiz bewässert, wobei in der Westschweiz ein Grossteil davon Grünland ist. Gemäss Landert führen Hitzesommer zu um bis zu 25 Prozent tieferen Raufuttererträgen, wobei Kunstwiesen am stärksten betroffen seien.

Es sei generell schwierig, Prognosen zu machen, sagte Landert. Er führte aber eine Reihe von wahrscheinlichen Trends auf:

  • Die Vegetationsperiode verlängert sich. Dadurch ergebe sich die Möglichkeit, Sommerkulturen schon im Herbst auszusäen, so dass sie auch die Winterfeuchtigkeit mitnehmen können.
  • Agroforst, Schattenbäume und Hecken können helfen und werden an Bedeutung zunehmen.
  • Mehr Betriebe werden Ernte- und Witterungs-Versicherungen abschliessen.
  • Diversifizierung sieht er als alternative Versicherung und zentrales Element zur Risikoreduktion.
  • Chancen, um trotz tendenziell sinkenden Erträgen zu kompensieren sieht er unter anderem in der Verarbeitung hofeigener Produkte, in der Stromproduktion und im Ausbau von Tourismusangeboten.

Warum Humusaufbau zentral ist
Die Bioackerbauern Daniel Böhler und Jeremias Niggli, die am FiBL als Berater tätig sind, präsentierten anschliessend die Vorteile einer gezielten Humuswirtschaft: Sie beschere gute Erträge sowie eine bessere Anpassungsfähigkeit an längere Trockenphasen und intensive Niederschläge.

Das Potenzial zum Humusaufbau sei auf den meisten Betrieben noch nicht ausgeschöpft, haben die beiden Spezialisten beobachtet. Eine betriebsspezifische Humusaufbaustrategie könne jeder Betrieb anpacken. Dafür müsse man sich folgende Fragen stellen:

  • Wie ernähre ich meine Lebewesen im Boden?
  • Zu welchen Zeitpunkt bearbeite ich den Boden?
  • Unternehme ich genügend Massnahmen bezüglich Bodenschutz?
  • Bewahre ich das Kapital Boden und ernte nur die Zinsen?
  • Mit welchen Radlasten befahre ich meinen Boden?

Für die Umsetzung einer betriebsspezifischen Humusaufbaustrategie empfahlen Böhler und Niggli folgendes Vorgehen:

  • Beurteilen der Ist-Situation (Bodenzustand, Bodenbearbeitung, Kreisläufe; Fruchtfolge, Untersaaten und Zwischenkulturen, Zufuhr von organischem Dünger)
  • Erkennen der Möglichkeiten auf dem Betrieb
  • Umsetzen von Massnahmen (Änderungen «dosiert» umsetzen, d.h. finanziell tragbar)
  • Kontrollieren der Wirkung und bei Bedarf Massnahmen anpassen

Zwischenfutter aus Untersaaten
Landwirt Stefan Jegge vom Berghof im aargauischen Kaisten referierte anschliessend aus Sicht des Praktikers über «Erfolgreiche Untersaaten in Trockengebieten». Auf seinem Betrieb mit 50,4 Hektaren landwirtschaftlicher Nutzfläche betreibt er auf rund 17,5 Hektar Ackerbau.

Für ihn als Milchproduzenten sei die Kunstwiese wichtiger als die Hauptkulturen der offenen Ackerfläche. Das heisst, er nimmt etwas Minderertrag auf dem Acker in Kauf, um möglichst gute Futterbauerträge zu erhalten.

Die Vorteile der Untersaaten aus Jegges Sicht:

  • Sie tragen zudem zur Bodenschonung bei, weil die Anzahl Bearbeitungsgänge reduziert wird.
  • Sie reduzieren Kosten dank verminderter Bodenbearbeitung.
  • Sie helfen, die Vegetationszeit besser zu nutzen.
  • Sie helfen die Futterknappheit zu reduzieren.
  • Sie sorgen für dauerhafte Begrünung der Böden.

«Ich will direkt nach der Getreideernte weiden,» sagte Jegge. «Das klappt gut, die Getreideflächen mit Untersaat sind bei der Ernte tragfähig und trittfest im Herbst, so dass bereits im ersten Herbst nach der Saat geweidet werden kann.»

Alles läuft aber noch nicht nach Wunsch. So habe er festgestellt, dass er nach dem Dreschen kaum mehr Klee vorfindet. «Ich gehe schwer davon aus, dass es Schnecken sind», sagt der Landwirt.

Keyline-Farming dosiert das Wasser
Wasserknappheit wird voraussichtlich zum dauerhaften Thema für die Landwirtschaft, gleichzeitig dürfte wegen zunehmender Starkniederschläge auch der Bedarf für Erosionsschutz wachsen. Keylines bieten eine Wasserverlangsamung und -verteilung in der Landschaft entlang der Höhenlinien. In ihnen wird Wasser gebremst, gespeichert und versickert und steht so während Trockenphasen dem Boden zur Verfügung.

Nicht immer sei es nötig, Keylines mit Agroforst zu kombinieren, aber es sei häufig sinnvoll, so Expertin Katja Degonda von der Firma Ondaka. Bäume könnten mit den Wurzeln Wasser schneller in die Tiefe ableiten, dank Kapillarkräften das Wasser im Boden zurückhalten, sowie die Luft oberirdisch befeuchten. Sie tragen ausserdem massgeblich zum Humusaufbau bei und können die Hofprodukte erweitern.

Die Bedeutung der Diversität im Ackerbau
Maike Krauss vom FiBL präsentierte die unterschiedlichen Auffassungen von Diversität im Ackerbau. Von verschiedenen Methoden wie Agroforst oder Fruchtfolgen bis hin zu Streifenanbau war die Rede.

Der Streifenanbau bietet einen optimalen Rückzugsort für Insekten, besonders wenn die Streifen so bepflanzt werden, dass zu jeder Jahreszeit etwas blüht. Folglich pendelt sich eine ausgeglichene Dynamik an Insekten auf dem Feld ein und die Schädlingszahl wird reduziert. «Diversität gegen Biodiversitätsverlust» lautet das Rezept von Krauss.

Wind- und Wassererosionen werden durch Agroforst, Hecken und Zwischenfrüchten in der Fruchtfolgen reduziert, denn sie schaffen bessere Durchwurzelung und Bodenbedeckung.

Indirekter Pflanzenschutz gegen Kartoffelkäfer
Als ein Beispiel zur Förderung der Diversität im Ackerbau präsentiert Lara Reinbacher vom FiBL erste Forschungsergebnisse zur Ansaat blühender Begleitpflanzen in Kartoffel. Diese sollen räuberische Insekten anziehen zur indirekten Bekämpfung des Kartoffelkäfers betragen.

Die Zahl der natürlichen Kartoffelkäfergegenspieler hat sich durch die Begleitpflanzen zwar verdoppelt, so Reinbacher in ihrem Resümee, die Auswirkung auf die Anzahl der Kartoffelkäfer sei aber nicht eindeutig. Dafür bedürfe es weiterer Untersuchungen.

Ein breiter Werkzeugkasten
Beim letzten Beitrag der Tagung handelte es sich um einen Praxisbericht von Matthias Hollenstein. Er präsentierte die Firma «HofLabor», in welchem er und sein Team die sogenannte regenerative Mosaik-Landwirtschaft entwickeln.

Um die Regeneration des Bodens, insbesondere des Bodenlebens und der Biodiversität zu fördern, setzen sie auf Methoden wie Controlled Traffic Farming. Der Boden wird dabei so wenig wie möglich befahren und immer auf denselben permanenten Fahrspuren. Dadurch werden 70 Prozent der Fläche nie befahren, im Vergleich zu fünf Prozent die bei Bewirtschaftung mit zufälligen Fahrwegen nicht befahren werden.

Mulchen ist teuer, aber es lohnt sich
Nicht nur mit Maschinen, sondern auch mit altbekannten Methoden wie dem Mulch-System hat das HofLabor Erfahrung. Mulch als Bodenbedeckung bringt Aufwand mit sich, hat aber auch Vorteile. Mulchen im Kartoffelbau ist insbesondere durch die Verteilung des Mulchs eine kostspielige Angelegenheit.

Faktoren wie Verschlämmung, Bewässerung, Pflanzenschutz, Feldarbeit zwischen Mulchen und Abschlegeln sowie Bodenschäden nach der Ernte, fielen jedoch zur Freude des HofLabors weg. Zusätzlich war bei der folgenden Weizenernte auf demselben Boden ein Mehrertrag von zehn Prozent festzustellen.

Vielfalt bietet Vorteile
Bei der Frage welche Anbausysteme und Anpassungen die Resilienz in ackerbaulichen Systemen verbessern, stachen in der Diskussion vielfältige Betriebszweige heraus. Diese versprechen unterschiedliche Vorteile wie Marktanpassungsfähigkeit oder Risikostreuung.

Die verschiedensten Praktiken, Methoden, Kulturen und Hilfsmittel bilden ein Mosaik der Diversität und fördern Sicherheit in einem landwirtschaftlichen Betrieb und die Regeneration des Bodens. Durch die grosse Palette steht bei Ausfall immer noch eine Reserve zur Verfügung und durch die nachhaltige Bewirtschaftung wird die Umwelt geschont. 

Florine Stäuble, Adrian Krebs, beide FiBL

Weiterführende Informationen

Klima und Keyline-Design (Rubrik Nachhaltigkeit)
Für interessierte Betriebe: ProBio Arbeitskreise und Fachanlässe zum Thema Klimaschutz (ProBio)
Bioackerbautag (2024)
Ackerbauoffensive (Bio Suisse)

 

 

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 01.03.2024

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