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Wertschöpfung und Leidenschaft: Im Jura gedeiht es in der Nische

Im Jura hat das Nationale Bioforschungsforum (NBFF) den Umgang mit Nischenkulturen in der Praxis besichtigt. Der Besuch bot auch Gelegenheit, den dynamischen Puls der Bioregion zu fühlen. Dank dem leidenschaftlichen Engagement von Landwirt*innen und Institutionen boomt hier nicht nur der Anbau, sondern auch die Aufbereitung, Verarbeitung und Vermarktung direkt vor Ort.

Das NBFF fand bisher oft in klimatisieren Vortragssälen statt. Dieses Jahr war die Kulisse etwas anders. Am Forum von FiBL, Bio Suisse und Agroscope versammelten sich an einem heissen Julitag in Courtételle im Kanton Jura rund 30 Personen in der Scheune des Domaine Sur-Chaux. Hier bewirtschaften Anita und Bertrand Wüthrich in Betriebsgemeinschaft mit seinem Bruder Marc einen Biobetrieb mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von 86 Hektaren, wovon sich rund 65 unter dem Pflug befinden.

Wetterkapriolen, Werkzeugkasten und weitere Gründe

Jürn Sanders, Geschäftsleitungsvorsitzender des FiBL und Organisator Hansueli Dierauer begrüssten die Gäste in der Scheune der Familie Wüthrich. Sie setzt seit Jahren mit viel Leidenschaft auf den Anbau von Nischenkulturen, wobei dieser Begriff hier weit gefasst ist: «Im Biolandbau sind eigentlich alle Kulturen ausser Weizen und Mais Nischenkulturen», sagt Dierauer. Auch Zuckerrüben und Raps zählt der FiBL Ackerbauspezialist dazu, derart gering seien die Bioanteile am gesamten Markt.

Dass die am NBFF im Zentrum stehenden Körnerleguminosen in der Nische verharren, hat verschiedene Gründe, wie Hans-Georg Kessler von Biofarm ausführte. Das beginnt mit der Züchtung, die für kleine Märkte weniger lukrativ ist. Es geht weiter mit dem Anbau, der wegen Wetterkapriolen und fehlendem Pflanzenschutz-Werkzeugkasten sehr herausfordernd ist. Im Weiteren fehlt es häufig an spezialisierten Annahmestellen und manchmal sogar an der angepassten Erntetechnik. Zudem beklagen die Verantwortlichen den fehlenden Grenzschutz sowie zu guter Letzt die nötige Zahlungsbereitschaft für Produkte, die meist weit mehr kosten, als die günstigen Importe.

Schwerer Rucksack für die Wanderung an den Markt

Insgesamt ist das ein schwerer Rucksack für die Wanderung der Nischenkulturen in Richtung Massenmarkt. Das mindert das Engagement der Familie Wüthrich für diese «Exotinnen» aber nicht. Zur Fruchtfolge gehören aber nicht nur Linsen, Lein, Kichererbsen und Ölsonnenblumen, sondern auch «Grandes Cultures» wie Weizen, Dinkel, Nackthafer, Raps und Soja. Total seien es jeweils 15 Kulturen pro Jahr.

Die 15 Hektaren Kunstwiesen bezeichnete Wüthrich als Problem. Er mache davon «so wenig wie möglich», da er für seine 50 Mutterkühe maximal zwei Schnitte braucht. Für den Grossteil des Futters hat Wüthrich schlicht keine Verwendung, auch die Nachfrage von Berufskollegen nach Grundfutter sei bescheiden.

Lein als Stützkultur für Linsen besser als Hafer

Auf einem Flurgang zu Fuss konnten die Teilnehmenden einen Einblick in die nahe gelegenen Felder erhalten. Den Auftakt machte eine Mischkultur mit Linsen und Lein. Der Lein dient in diesem Mix als Stützkultur. Diese Mischung hat sich gut bewährt, wie Bertrand Wüthrich, der auch als Bioberater tätig ist, am Feldrand ausführt. Die Linse reift unregelmässig ab. Deshalb mäht sie Wüthrich Mitte August an Schwade und drescht sie erst nach ein bis zwei Tagen Feldtrocknung.  

Wenig begeistert äusserte sich ein Teilnehmer über seine Erfahrungen mit einer Mischkultur aus Belugalinsen und Hafer. Beim Hafer müsse man aufpassen, dass er in der Mischung nicht dominant werde, deshalb habe er nur 12 kg pro ha gesät. Die Folge war mangelnde Stützfunktion des Hafers. Nächstes Jahr wolle er ebenfalls auf Lein setzen, so der Landwirt.

Weitere Stationen des Flurgangs waren die Kichererbsen, welche dieses Jahr einen schwierigen Start hatten, die Ölsonnenblumen, der Raps und die Speisesoja, welche sehr gut gelungen sind. Das Fazit: Nischenkulturen sind keine Selbstläufer, aber wer Herausforderungen im Ackerkulturen sucht, ist hier am richtigen Ort.

Nur mit Markt machen Nischenkulturen Sinn

Hansueli Dierauer betonte, dass Nischenprodukte wie die erwähnten Körnerleguminosen nur Sinn machen, wenn es dafür einen Markt gibt. Als Beispiele zählte er Speisesoja und Zuckerrüben auf. In beiden Bereichen hat Coop mit Partnern für einen Ausbau des Absatzes gesorgt.

Bertrand Wüthrich macht seine eigene Triage: Quinoa würde er gar nicht anbauen auf seinen schweren Böden, wie er sagt. Die Hirse hat er aus kommerziellen Gründen wieder aufgegeben, da für sie keine ausreichende Nachfrage besteht. Dies bestätigte Hans-Georg Kessler, der auf die grossen Lagerbestände von Hirse bei Biofarm verwies.

Annahme- und Sortierstelle mit PRE renoviert

«Zu den Nischenkulturen haben mich die Konsument*innen gepusht», sagt Bertrand Wüthrich.  Diese bedient er zu einem guten Teil im hofeigenen Laden, den seine Frau Anita führt. Er könne die Ernte von rund 12 seiner 50 Hektaren direkt verkaufen. Aber auch für die Vermarktung der restlichen Ware muss er nicht weit fahren. Nämlich nur runter ins Dorf, wo die lokale landwirtschaftliche Genossenschaft Agrocentre tätig ist.

Bertrand Wüthrich ist deren Präsident und gerät sofort ins Schwärmen über die Qualität der unlängst mit Bundesmitteln ausgebauten Annahme- und Sortierstelle. Die staatliche Unterstützung lief via ein Projekt zur regionalen Entwicklung PRE. Das Agrocentre ist unter anderem spezialisiert auf die Trennung von Mischkultur-Ernten, auch von sehr kleinen Posten.

Für diese Dienstleistungen reisen die Kund*innen von weit her an, erfährt die Gruppe bei der späteren Besichtigung der Gebäulichkeiten. Das Agrocentre ist geschäftlich unabhängig, seit die Zusammenarbeit mit Fenaco vor einigen Jahren wegen zu hoher Kosten für die Erneuerung des Informatiksystems beendet wurde. Der integrierte Laden verströmt eher den Charme eines Delikatessengeschäfts als das rustikale Ambiente eines Landi-Shops. Hier sind unter anderem die Linsen von Bertrand und Anita Wüthrich zu finden. Kürzer könnten die Wege fast nicht sein, daher heisst die Epicerie auch «Kilomètre Zéro». Im vergangenen Jahr sind die Erfolge des Agrocentre mit dem Grand Prix Bio Suisse honoriert worden.

Wichtige Unterstützung durch die Stiftung FRI

Wichtig für das Blühen in den Nischen der jurassischen Biolandschaft ist auch die Unterstützung durch die Fondation Rurale Interjurassienne (FRI). Die Stiftung betreut das kantonale landwirtschaftliche Ausbildungswesen und unterstützt den Biolandbau in mannigfacher Weise durch diverse Projekte. Hier wird nicht nur unterrichtet, sondern auch beraten. Dazu engagiert sich die gemeinnützige Institution auch für die Vermarktung der Produkte, unter anderem mit der Organisation des «Festivals du Terroir Suisse», das vom 26. bis 28. September am Standort des FRI in Courtemelon stattfindet.

Adrian Krebs, FiBL

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