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Eines von vielen Rezepten für die muttergebundene Kälberaufzucht

Auf dem Gut Fintan in Rheinau wird seit rund 10 Jahren mit Mutter- und Ammengebundener Kälberaufzucht gearbeitet. Anlässlich einer Exkursion von Bauern, Bäuerinnen und anderen Interessierten hat Co-Betriebsleiter Andi Wälle sein System vorgestellt. Es zeigt, dass es für die Haltungsform kein Patentrezept gibt.

Seit knapp zwei Jahren ist Andi Wälle auf dem Rheinauer Gutsbetrieb Fintan für das Milchvieh und den Futterbau verantwortlich. Wie sein Vorgänger Martin Ott praktiziert auch Co-Betriebsleiter Wälle die Mutter- und Ammengebundene Kälberaufzucht (MAgKa). Wälle hatte schon vor seinem Stellenantritt im Zürcher Weinland auf seinem Pachtbetrieb im Berner Jura mit einer Original Braunvieh-Herde 15 Jahre Erfahrungen mit MAgKa gesammelt. Diese liessen sich allerdings nicht eins zu eins anwenden an der neuen Wirkungsstätte. Wie Wälle diese Woche den Teilnehmern einer vom FiBL organisierten Exkursion nach Rheinau sagte, habe er kein fixes System für die muttergebundene Aufzucht. Dieses müsse an die Herde, die architektonischen Verhältnisse, die personellen Voraussetzungen und den Gesundheitszustand der Tiere angepasst werden, deshalb befinde sich die Haltung auf der Rheinau in einem stetigen Wandel.

Verhalten der Kuh kann von Kalb zu Kalb ändern

Eine der Ursachen für die jüngste Änderung im Fintan-Stall sind Kryptosporidien, ein Durchfallerreger, der derzeit viele der Kälber auf der Rheinau befallen hat. Um diesem Erreger Herr zu werden lasse er die neu geborenen Kälber derzeit über die ersten Wochen permanent bei der Mutter, so dass sie sich jederzeit mit dem Kolostrum und dringend benötigter Flüssigkeit versorgen können, sagt Wälle. Im Normalfall aber sind die Kälber nur die ersten maximal 36 Stunden permanent bei der Mutter, anschliessend wird der Kontakt stufenweise reduziert und weitgehend auf die Melkzeit beschränkt, später wird die Mutter für die meisten Kälber mit Ammen ersetzt, bis die Jungtiere schliesslich im Alter von 4 bis 6 Monaten abgetränkt werden (siehe Chronologie unten).

Wälle betonte, dass der Wandel sogar einzelne Kühe betreffen könne. „Nicht jede Kuh verhält sich gleich wie beim letzten Kalb“, hat er beobachtet. So könne es passieren, dass eine mässig mit Mutterinstinkt augestattete Erstmelkerin beim zweiten Kalb plötzlich starken Trennungsschmerz verspüre. Dank seinem flexiblen System und der beachtlichen Herdengrösse von rund 60 Kühen, kann er darauf reagieren und eine solche Kuh zur Amme umfunktionieren, die dann über Monaten das eigene und ein bis zwei zusätzliche Kälber säugt. Kühe mit schlechten Keimzahlen sind ebenfalls prädestiniert für den Ammenstatus. Das Säugen sei aber kein Heilmittel, wie man das auch schon postuliert hat. Laut Wälle kann man nicht davon ausgehen, dass eine Kuh, die zu Euterproblemen neigt mit Besäugung therapierbar ist.

10 Liter Milch pro Kalb und Tag

Durch den Ersatz der Mütter mit Ammen ist der Trennungsschmerz der Muttertiere, ein viel genanntes Problem in der MAgKa, weniger ausgeprägt. Wälle hat zudem festgestellt, dass auch eine Amme mit Trennungsschwierigkeiten spätestens nach 4-5 Monaten Tragzeit mit einem neuen Kalb die Lust am Säugen verliert und dadurch auch weniger gestresst ist durch die Trennung.

Die Kälber saufen gemäss den Berechnungen Wälles rund 10 Liter Milch pro Tag, das macht auf die gesamte Tränkezeit 1000 bis 1500 Liter. Im Total rechnet er mit einem Stalldurchschnitt von 5000 bis 5500 Litern. Genaue Angaben sind aber schwerlich möglich, da während der ersten sechs Laktationswochen keine Milchwägung stattfindet. Die Beobachtungen Wälles decken sich mit den Zahlen einer noch nicht veröffentlichten Bachelorarbeit, die vor kurzem auf dem Hofgut Rengoldshausen in Überlingen durchgeführt wurde. „Die Quintessenz der sehr interessanten ‚Datenflut‘ unseres Projektes ist, dass unsere Kälber im Durchschnitt 10,2 Liter am Tag trinken und nach knapp 4 Monaten Aufzuchtzeit ca. 200 kg wiegen“, schreibt Mechtild Knösel, die auf dem Betrieb in Süddeutschland für das Milchvieh zuständig ist. Wälle betonte, dass für die genügende Milchaufnahme bei gesunden Kälbern zweimaliges Säugen pro Tag ausreicht. Ein permanenter Zugang zur Mutter oder zur Amme sei auf die Dauer für beide Parteien in Bezug auf die spätere Trennung ein Stressfaktor, sagte er.

Die Chronologie von MAgKa auf Gut Fintan in Rheinau

  1. Bis 48 Stunden nach Geburt:
    Die Kälber sind permanent bei der Mutter in einer Abkalbebox. Die Kuh wird nach 12 Stunden oder bei der nächsten Melkzeit  erstmals wieder im Melkstand gemolken, bei Erstmelkenden ein bis zweimal vom Kalb begleitet.
  2. 2-7 Tage nach der Geburt
    Die Kühe werden zur Melkzeit und durch den Tag ohne Kalb in die Herde reintegriert. In der Nacht sind sie in der Regel in einer Einzelbox weiter mit den Kälbern zusammen.
  3. Ab 2. Woche:
    Die Kühe können nur noch vor dem Melken während je rund einer Stunde zurihren Kälbern  in einem abgetrennten Bereich neben dem Melkstand. Anschliessend gehen die Kühe ohne Kälber in den Melkstand und zurück in die Herde.
  4. Ab 3. Woche:
    Die Kälber werden Ammen zugeteilt, die neben dem eigenen Kalb bis zu zwei zusätzliche Kälber säugen, sie können zweimal täglich im abgetrennten Bereich neben dem Melkstand saugen.
  5. Ab 8. Woche:
    Die Kälber werden in eine weiter vom Melkstand entfernte Box verlegt und dort zweimal täglich vor der Melkzeit von den Ammen aufgesucht. Im Sommer sind die Kälber halbtags mit den Ammen auf der Weide.
  6. 4. bis 6. Monat:
    Absetzen der Kälber, indem die grösseren damit sie nicht mehr an den Ammen saufen können einmal täglich angebunden werden und später in eine andere Box verlegt werden.

Adrian Krebs, FiBL

 

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 26.02.2015

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