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Marssonina-Blattfallkrankheit - eine Bedrohung im Bioobstbau

Die Marssonina Blattfallkrankheit auf Apfel wurde im Jahr 2010 erstmals in der Schweiz beobachtet. Sie gehört unterdessen zu den bedeutendsten Krankheiten im Bioobstbau und wird auch in der konventionellen Produktion zunehmend zu einem Problem.

Krankheitssymptome

Erste offensichtliche Symptome von Marssonina treten oft nach längeren Regenperioden in den Monaten Juni, Juli oder August auf. Aus den zunächst kleinen nekrotischen, dunklen Flecken auf der Blattoberseite entwickeln sich grössere grauschwarze, verästelte bis sternförmige Blattflecken, die mit der Zeit ineinanderlaufen. Die Blätter vergilben und die Pilzstrukturen werden auf den gelben Blättern deutlich erkennbar. Die kleinen Fruchtkörper, sogenannte Acervuli, sind rund bis oval. Sie sind zunächst glänzend und zwar so lange sie noch mit einer öligen Flüssigkeit gefüllt sind, fallen dann aber in sich zusammen.

 

Die Symptomausprägung ist allerdings sortenabhängig. Die Krankheit kann sich auch mit vielen nekrotischen Sprenkelungen auf den Blättern präsentieren oder mit runden Nekrosen mit einem schwarzen Punkt in der Mitte, dem pilzlichen Fruchtkörper. Häufig bildet sich aus diesen Nekrosen zu einem späteren Zeitpunkt aber auch noch das typische verästelte Wachstum des Pilzes und eine Vergilbung des Blattes tritt ein.

Erste Infektionen können bereits Ende April, Anfang Mai stattfinden, wie neue Forschung am FiBL ergeben hat. Diese bleiben aber häufig unbemerkt, da es sich um kleine unauffällige nekrotische Flecken handelt, deren exakte Ursache schwierig zu identifizieren ist. Die typischen sternförmigen Nekrosen sind dann wenige Wochen später, meistens erst ab Juni, zu finden.

Starker Befall kann frühzeitig zu einem vollständigen Blattfall führen, mit negativen Auswirkungen auf den Fruchtertrag, die Fruchtqualität und, durch die Schwächung des Baumes, auch auf den Fruchtansatz im Folgejahr.

Auch auf den Früchten können sich Symptome in Form von dunklen, leicht eingesunkenen Flecken bilden, teils mit verästelten Rändern. Auch auf diesen Fruchtflecken bilden sich Acervuli. Stärkerer Befall führt zu Fruchtdeklassierung der Tafelware und zu verminderter Lagerfähigkeit.

Vor allem zu Beginn einer Epidemie ist häufig ein nestartiges Auftreten von Marssonina-Symptomen zu beobachten. Das heisst, dass einzelne Bäume oder eine Gruppe von Bäumen schon einen starken Befall mit Blattfall zeigen, während auf Nachbarbäumen noch kaum Symptome zu beobachten sind. Die Symptome beginnen meistens im Innern der Baumkrone, besonders an schlecht durchlüfteten Stellen.

In Anlagen mit Marssonina-Befall verstärkt sich der Krankheitsdruck typischerweise von Jahr zu Jahr, hängt aber auch stark von den Wetterbedingungen ab. Dabei führen nass-warme Sommer wie beispielsweise 2021 zu viel mehr Krankheitsdruck als trocken-heisse Jahre wie zum Beispiel 2018.

Betroffen waren bisher vor allem der Streuobstbau sowie Bioapfelanlagen und insbesondere auch schorfresistente Sorten.

Historisches

Die Krankheit wird durch den Pilz Diplocarpon coronariae verursacht, der bis vor kurzem noch Diplocarpon mali (Hauptfruchtform) oder Marssonina coronaria (Nebenfruchtform) genannt wurde. Der neue Name Diplocarpon coronariae bezeichnet den Pilz unabhängig von der Fruchtform. Bisher wurde in Europa nur die Nebenfruchtform nachgewiesen, das heisst Acervuli und Konidien. Es gibt jedoch Hinweise aus populationsgenetischen Untersuchungen, dass sich der Pilz auch in Europa gelegentlich sexuell vermehrt.

Diplocarpon coronariae wurde 1907 erstmals in Japan beschrieben. Nächste dokumentierte Stationen des Auftretens waren Rumänien (1960), Korea (1963), Kanada (1971), Brasilien (1986), China und Indien (1992), Italien (2001). In der Schweiz ist die Krankheit 2010 in einer unbehandelten Versuchsparzelle am Zürichsee zum ersten Mal beobachtet und nachgewiesen worden. 2012 etablierte sich die Krankheit aufgrund des nassen Sommers in verschiedenen Regionen der Deutschschweiz, vor allem in Bioanlagen, Hochstammbeständen und Hausgärten. Gleichzeitig wurden auch Beobachtungen und Nachweise aus dem Süddeutschen Raum und aus Österreich gemeldet. Seither hat sich er Pilz auch in weiteren Regionen etabliert.

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Biologie

Lebenszyklus

Marssonina überwintert im Falllaub wo sich über den Winter auf den Blättern weitere Acervuli entwickeln. In diesen Fruchtkörpern werden im Frühling die Konidien gebildet, welche bei Vorhandensein von tropfbarem Wasser mit Regenspritzern und in Aerosolen vom Falllaub auf den Baum gelangen. Die ersten Sporenausstösse finden je nach Wetter bereits Ende April, Anfangs Mai statt. Die Konidienbildung im Falllaub endet ca. Anfang Juni. Die weitere Ausbreitung erfolgt dann ebenfalls während Regenperioden von primär infizierten Blättern aus. Nach anhaltend feuchtwarmer Witterung setzt die Massenvermehrung ein mit epidemischem Auftreten.

Für eine Infektion der Apfelblätter sind längere Blattnässeperioden und Temperaturen über 15 °C notwendig. Bei 20 °C können erste, einzelne Infektion bereits nach 6-8 Stunden Blattnässe geschehen, mit zunehmender Dauer von Blattnässe erhöht sich die Anzahl Infektionen. Im Sommer bietet somit jede längere Nassperiode das Risiko für weitere Infektionen mit D. coronariae. Insbesondere in nass-warmen Sommern kann sich die Krankheit daher stark ausbreiten und bereits früh zur kompletten Entlaubung der Bäume führen. Im Spätherbst bilden sich in den Acervuli nebst den Konidien zunehmend auch kleine Sporen, die eventuell für die sexuelle Entwicklung oder für die weiträumige Verbreitung von Bedeutung sein könnten.

Neuste Forschungsresultate haben gezeigt, dass Knospen und Rinde als zusätzliche Überwinterungsorgane für D. coronariae in Betracht gezogen werden müssen. Zudem können vermutlich auch in der Obstanlage verbliebene infizierte Früchte Ursprung für Infektionen im Frühjahr sein.

Sporenflug

Umfangreiche Untersuchungen zum Sporenflug von D. coronarie haben gezeigt, dass erste Peaks Ende April, anfangs Mai zu erwarten sind. Über einem Depot aus Falllaub wurden Sporen bis in eine Höhe von 3 Metern gemessen. Im Frühling und Frühsommer wurden Sporenpeaks nur während oder kurz nach Regenperioden gefunden. Im Hochsommer dagegen wurden in einer Anlage mit viel Krankheitsdruck dann auch bei trockenem Wetter täglich Sporen in der Luft detektiert, wenn auch in schwankender Anzahl.

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Bekämpfung

Marssonina-Anfälligkeit verschiedener Sorten

Ein sehr wichtiger Aspekt zur Prävention der Marssonina-Blattfallkrankheit ist die richtige Sortenwahl. Erhebungen in der Schweiz und im Ausland haben klare Unterschiede in der Sortenanfälligkeit aufgezeigt. Leider gehören die schorfresistenten Sorten wie Topaz und Ottawa zu den anfälligen Sorten gegenüber Marssonina.

Lange Zeit wurde Rubinola für besonders anfällig gehalten, da bei dieser Sorte häufig vorzeitig Blattfall beobachtet wurde. Molekularbiologische Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass dieses anderen Ursprungs ist und Rubinola eher tolerant ist gegenüber Marssonina. Mostobstsorten wie Hagapfel, Blauacher und weitere zeigen relativ hohe Toleranz, bzw. wenig Anfälligkeit gegen Marssonina.

Laut Untersuchungen in China gibt es auch Unterschiede in der Anfälligkeit von Wurzelunterlagen. Unsere hauptsächlich verwendeten M 9 Unterlagentypen zeigen aber keinen den Befall beeinflussenden Effekt.

Indirekte Massnahmen

Der Pilz überwintert erwiesenermassen im Falllaub, von wo er im Frühling und Frühsommer die neuen Blätter infiziert. Hygienemassnahmen können daher die Menge an potenziell infektiösem Material reduzieren. In Versuchen des FiBL und des KOB Bavendorf konnte zwar kein Einfluss der Laubentfernung oder der Förderung des Laubabbaus auf den Befall gezeigt werden, aber die Förderung des Blattabbaus und das Entfernen von infektiösem Material ist eine mögliche indirekte Regulierungsmassnahme. Der Blattabbau kann durch Mulchen und Hacken nach dem Blattfall oder Ausbringen von ausgereiftem Kompost stark gefördert werden. Die Entfernung befallener Blätter kann sehr effizient mit dem Einsatz eines Laubsaugers oder von Hand mit dem Herausrechen der Blätter aus dem Baumstreifen und anschliessendem Mulchen erfolgen.

Feuchtigkeit fördert die Ausbreitung der Krankheit, deshalb ist die Pflanzung an gut durchlüfteten Standorten und ein die Durchlüftung fördernder Schnitt wichtig.

Alternativ zur Überwinterung im Falllaub wird derzeit die Überwinterung auf dem Baum diskutiert. Studien des FiBL`s konnten den Pilz nach dem Winter auf Rinden und Knospenproben nachweisen. Ob der Pilz auf diesen Organen allerdings infektiös ist, ist noch nicht geklärt. Vor allem die Knospen könnten als Ursprungsort für erste Infektionen im Frühjahr eine Rolle spielen.

Direkte Massnahmen

Wirkung von Biopflanzenschutzmitteln: Versuche in den letzten Jahren im In- und Ausland mit biokompatiblen Mitteln haben gezeigt, dass saure Tonerdepräparate wie Myco-Sin oder Myco-San die beste Wirkung gegen Marssonina aufweisen, auch Schwefelkalk zeigte eine gute Wirkung. Kupfer ist ebenfalls aktiv gegen Marssonina, die jährlich erlaubte Menge an Kupfer wird aber vor allem für die Schorfregulierung in der Austriebsperiode benötigt. Keine oder nur eine unbedeutende Wirkung zeigen Kaliumbicarbonat-Präparate (Armicarb, Vitisan, Ghekko,…). So bleibt zurzeit der Einsatz von Tonerdepräparaten (auch in Tankmischung mit Schwefel) die wichtigste Möglichkeit, um eine Epidemie im Sommer einzugrenzen.

Empfehlungen zur direkten Regulierung: Aufgrund der bisherigen Kenntnisse können Infektionen mit Marssonina ab Blüte bis September stattfinden. Neue Untersuchungen deuten darauf hin, dass Erstinfektionen von Ende April bis Mitte Juni stattfinden. Diese sind aber meist schwierig zu entdecken. Wenn erste Infektionen stattgefunden haben, kann es je nach Umweltbedingungen (für eine starke Infektion sind eine lange Blattnassdauer von zwei bis drei Tagen und eine Temperatur zwischen 20 und 25 Grad ideal) schnell zu einer Ausbreitung des Befalls kommen.

Es gilt daher nach Möglichkeit die frühen Infektionen zu verhindern. Gelingt dies nicht, sind je nach Witterung engmaschige Behandlungsintervalle notwendig um den raschen Aufbau der Epedemie und schlussendlich den frühzeitigen Blattfall zu verzögern.

Von Mitte Juni bis drei Wochen vor der Ernte (Einhaltung der Wartefrist) kann einer Marssonina-Epidemie durch Behandlungen mit einem Tonerdepräparat entgegengewirkt werden. Behandlungen sind vor allem vor Niederschlagsperioden mit warmen Temperaturen angesagt. Zur besseren Einschätzung des Infektionsrisikos und Optimierung der Behandlungszeitpunkte, kann das RIMpro Marssonina Modell zu Rate gezogen werden.

Mit einer Tonerde plus Schwefel- Behandlung wird gleichzeitig eine Wirkung gegen Schorf, Mehltau, Pseudomonas und Gloesporium-Lagerkrankheiten erzielt. Nicht mischbar sind Tonerdepräparate mit Kaliumcarbonat-Präparaten (Armicarb, Vitisan), Cocana und Granulosepräparaten (Apfelwicklerbekämpfung). Um die Kulturen auch gegen die Regenfleckenkrankheit ausreichend zu schützen, empfiehlt sich deshalb eine alternierende Anwendung mit Kaliumbicarbonat (Armicarb) plus Schwefel oder eventuell Kokosseife (Cocana) (siehe auch «Pflanzenschutzmassnahmen ab Juli»).

Le modèle RIMpro pour Marssonina

Auf Basis von biologischen Daten von Diplocarpon coronariae und von gemessenen Meteodaten aus dem Agrometeonetz errechnet das RIMpro Marssonina-Modell den Sporenflug und die potenziellen Infektionsperioden. Dieses Prognosemodell bietet somit Hilfestellung für die Optimierung von Pflanzenschutzbehandlungen. Im Rahmen einer mehrjährigen Validierung konnten wir zeigen, dass sich die Aussagen des Modells weitgehend mit unseren Beobachtungen im Feld decken.

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Weiterführende Informationen

Podcast FiBL Focus Folge 13: «Marssonina-Blattfallkrankheit – Gefahr für den Apfelbaum» (YouTube)

Biokernobst: Pflanzenschutzmassnahmen ab Juli (Rubrik Obstbau)

Projekt «Entwicklung direkter und indirekter Maßnahmen zur Bekämpfung von Marssonina coronaria auf Basis von Parametern zur Infektionsbiologie des Erregers unter westeuropäischen Klimabedingungen» (FiBL-Projektdatenbank)

Marssonina-Prognose mit RIMpro (Pflanzenschutz-Bulletin)

Schweizer Zeitschrift für Obst- und Weinbau: «Anfälligkeit von Apfelsorten gegen Marssonina coronaria» Nummer 4/2019 (Obst- und Weinbau; nur für Abonnenten)

Schweizer Zeitschrift für Obst- und Weinbau: «Marssonina-Blattfall, eine neue Apfelkrankheit» Nummer 16/2013 (Obst- und Weinbau; nur für Abonnenten)

Beiträge der wiederkehrenden Ecofruit-Tagung:

«Early season detection of Marssonina coronaria spore dispersal with selected spore traps and qPCR» C. Boutry, A. Bohr, S. Buchleither, M. Ludwig, T. Oberhänsli, L. Tamm, H.J. Schärer, P. Flury (ecofruit 2020)

«Basis and Practice of Apple Marssonina leaf blotch management in China» L. Huang, H. Feng and H. Zhao (ecofruit 2020)

«Symptom occurrence and disease management of Marssonina blotch» A. Bohr, S. Buchleither, M. Hechinger and U. Mayr (ecofruit 2018)

«Testing resistance of apple cultivars to Marssonina coronaria» H. J. Schaerer, M. Ludwig, T. Oberhaensli and L. Tamm (ecofruit 2018)

«Genetic diversity of the apple leaf blotch fungus Marssonina coronaria in Europe» T. Oberhänsli, V. Leschenne, A. Dalbosco, A. Patocchi, A. Bohr, S. Buchleither, L.
Wille, L. Tamm, and H.J. Schärer (ecofruit 2018)

«Evaluation of apple cultivars for their resistance to premature leaf fall (Marssonina coronaria)» T. Wöhner, S. Radatz and M.V. Hanke – Short Contribution (ecofruit 2016)

«Testing susceptibility of apple cultivars against Marssonina coronaria» T. Vorley, T. Oberhänsli, L. Tamm, H.J. Schärer (ecofruit 2014)

 

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 19.04.2022

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