Diese Website unterstützt Internet Explorer 11 nicht mehr. Bitte nutzen Sie zur besseren Ansicht und Bedienbarkeit einen aktuelleren Browser wie z.B. Firefox, Chrome
FiBL
Bio Suisse
Logo
Die Plattform der Schweizer Biobäuerinnen und Biobauern

Das Bio-Symposium öffnet eine grosse Kiste

Meldung  | 

Am Bio-Symposium in Bern diskutierte eine vielfältige Versammlung von Stakeholdern über die Transformation des Ernährungssystems. Wie dieser Umbau zu geschehen hat, war am Ende der Tagung noch nicht abschliessend geklärt, aber es wurde über vieles geredet.

Vertreterinnen und Vertreter der Organisierenden wurden zum Auftakt auf die Bühne gebeten. Foto: FiBL, Adrian Krebs

Die Marketingleiterin des Jungunternehmen Fabas gab Einblick in die zeitweise anspruchsvolle Urproduktion von Schweizer Hülsenfrüchten. Foto: FiBL, Adrian Krebs

Keiner bringt mehr Inhalt auf eine Powerpoint-Folie: Niklaus Iten von Biofamilia nahm sich mit Herzblut des Themas Fleischkonsum an. Foto: FiBL, Adrian Krebs

Bettina Höchli von der Universität Bern kennt sich aus mit dem Verhalten von Konsumenten und Konsumentinnen. Foto: FiBL, Adrian Krebs

«Es geht immer um die Menge, nicht ums Verteufeln», so Christine Brombach von der ZHAW zum Fleischkonsum. Foto: FiBL, Adrian Krebs

Nach den Referaten versetzte Christine Brombach am Podium die Mitteilnehmenden ins Staunen. Foto: FiBL, Adrian Krebs

Bewährtes Instrument: Teilnehmende vertiefen mit einem World Café die Erkenntnisse des Anlasses. Foto: FiBL, Adrian Krebs

Komiker Matthias Kunz lieferte als Walter B. Grünspan eine erbarmungslose Zusammenfassung des Anlasses. Foto: FiBL, Adrian Krebs

Es ist eine grosse Kiste, die das Organisationskomitee des Bio-Symposiums vom Donnerstag, 30. November in Bern in Angriff genommen hat. Das ambitiöse Thema «Nachhaltige Ernährung und die Transformation des Ernährungssystems» war erwartungsgemäss in einem Tag nicht zu bewältigen. Wie soll ein nachhaltiges Ernährungssystem aussehen, das die Menschen ernähren kann – und dabei «Bio» miteinbezieht, lautete die Kernfrage.

Die Palette der möglichen Antworten und Informationen war breit und ihr Inhalt teilweise umstritten. Organisiert haben den Anlass mit rund 150 Teilnehmenden das FiBL, die Bio Suisse, Demeter Schweiz, die IG Bio, das Bionetz.ch und bio.inspecta.

Fabas und die Herausforderungen
Mit etwas schneebedingter Verzögerung eröffnete Lena Rutishauser vom Hülsenfrucht-Start up Fabas die Tagung. Sie war als Notnagel eingesprungen, da der ursprünglich vorgesehene Referent aus Krankheitsgründen hatte absagen müssen. Die kurze Vorbereitungszeit merkte man dem Referat nicht an. Routiniert erläuterte die Jungunternehmerin einige Facetten des Startups, die man anlässlich der kürzlichen Auszeichnung mit dem Grand Prix Bio Suisse noch nicht gehört hatte.

Rutishauser gab einige Zahlen preis. Ein Dutzend Betriebe hat im laufenden Jahr auf 30 Hektaren Hülsenfrüchte für Fabas angebaut. Dabei zeigte sich, dass sich das Unternehmen mit dem Fokus auf 100 Prozent inländischer Produktion einer grösseren Herausforderung stellt, ist doch die Produktion von teilweise wenig angepassten Kulturen wie Kichererbsen und Gelberbsen ein volatiles Geschäft unter Schweizer Bedingungen. So fiel etwa die Gelberbsenernte heuer komplett aus.

Spannend war auch zu hören, dass die noch junge Firma den Humus von der Zürcher Grossmetzgerei Angst herstellen lässt. «Je mehr Fleisch eine Firma verarbeitet, desto mehr sollten wir mit ihnen zusammenarbeiten», sagte Rutishauser sinngemäss, denn nur so komme man auch in den Austausch über Alternativen.  

Müeslivertreter verteidigt Fleischproduktion
In einem fulminanten Referat versuchte Niklaus Iten von Bio-Familia («Wir leben für Müesli») und Präsident der IG Bio den Ruf des Rindfleisches zu retten. Er holte weit aus und kritisierte die Planetare Gesundheitsdiät (Planetary Health Diet) der EAT Lancet-Kommission, die eine massive Fleischreduktion fordert, scharf. Diese sei beherrscht von global tätigen Nahrungsmittelmultis und greife zu kurz mit dem Generalangriff auf das Fleisch und insbesondere auf das rote.

In der abschliessenden humoristischen Würdigung durch den Kabarettisten Walter B. Grünspan erhielt Iten die Etikette «der Müeslimann vom Fleischverband». Iten versicherte aber, dass er von der Fleischbranche keinen Rappen erhält. Fleisch sei gerade im Grasland Schweiz ein sinnvoller Eiweissträger, man müsse hier auch festhalten, dass dieses trotz 51 Kilo Pro-Kopf-Konsum jährlich in der Schweiz lediglich 30 Prozent des Proteinbedarfs durch Fleisch gedeckt werde.     

Iten relativierte auch die Bedeutung der Nutztierhaltung für die Klimagas-Emissionen. Hier gelte es vor allem die Ehre der Kuh zur retten, die kein Klimakiller sei. «Ohne dass wir die elenden fossilen Brennstoffe reduzieren, passiert überhaupt nichts», erklärte Iten. Sein Plädoyer fürs Fleisch fiel derart intensiv aus, dass Moderatorin Daniela Lager den Müesliproduzenten fragte, wann er wohl eine Mischung mit getrockneten Rindfleischstücken ins Sortiment aufnehmen werde.

«Niki, du hast die falschen Feinde»
Das Referat von Niklaus Iten stiess nicht nur auf Zustimmung. Lena Rutishauser erklärte Iten, er habe die falschen Feindbilder. Statt den Vegetariern und Veganerinnen solle er besser die überbordende Produktion von Poulet- und Schweinefleisch bekämpfen. 

Auch Christine Brombach von der ZHAW gab Gegensteuer. In ihrem Referat mit dem Titel «Nachhaltigere Ernährungssysteme: Was wir wissen und was wir tun sollten» bekannte sie sich zu einer enkeltauglichen Land- und Ernährungswirtschaft. Die von Iten kritisierte Planetary Health Diet beschäftigt sie stark. Hier sei die Rede von pflanzenbetonterer Ernährung, aber mitnichten sollten sich alle vegan oder vegetarisch ernähren, sondern eher flexitarisch. «Es geht immer um die Menge, nicht ums Verteufeln», so Brombach. «Wir haben einen zu hohen Fleischkonsum, das ist auf die Dauer weder nachhaltig noch gesundheitsverträglich». Damit konsumiere man zu viel Fett und Salze und zu wenige Vollkornprodukte.

Die von EAT Lancet propagierte Menge von maximal 14 Gramm rotem Fleisch täglich sei nicht etwa zu kritisieren, wie dies Iten getan hat. Nein, sie führe zu einem alten Verhaltensmuster, das sich schon früher bewährt habe: «Einmal Fleisch pro Woche».

219 Entscheidungen zum Essen pro Tag
Bettina Höchli, die sich an der Universität Bern mit dem Konsumentenverhalten beschäftigt, fragte in ihrem Referat «Was braucht es, um Konsumgewohnheiten zu ändern?» Jeden Tag treffe ein Durchschnittsmensch nicht weniger als 219 Entscheidungen bezüglich Ernährung. 40 Prozent der alltäglichen Entscheide basierten auf Gewohnheiten fuhr Höchli fort, deshalb müsse man bei deren Veränderung ansetzen.

Wenn es darum gehe, die Leute beispielsweise an Biokonsum zu gewöhnen, sei es richtig, die Produkte am selben Ort zu platzieren, wie die konventionellen Produkte derselben Kategorie, so dass keine neuen Umwege im Laden nötig sind.

Die Anregungen zur Verhaltensänderung sind effizienter, wenn sie am «Tatort» stattfinden, sagte Höchli sinngemäss. Wer mit einer Duschanzeige auf hohen Wasserverbrauch hingewiesen wird, reagiert eher mit geringerem Wasserverbrauch, als wenn einem auf dem Arbeitsweg ein erzieherisches Plakat zum Kurzduschen auffordert.

Es braucht immer eine Belohnung
Es gelte, die Barrieren zum gewünschten Verhalten abzubauen, erklärte die Forscherin. Als Beispiele schilderte sie Biofertigpizza oder Babybrei im Glas. Hier sei Bio bereits Standard, was die Verhaltensänderung natürlich extrem erleichtert. «Moments of Change» (Momente des Wechsels) seien ein idealer Zeitpunkt, um auf Verhaltensänderungen hinzuwirken: also etwa Zusammenziehen mit dem Partner, Geburt eines Babys oder Pensionierung.

Letztlich brauche es aber immer eine Belohnung, um eine Verhaltensänderung herbeizuführen. Diese könne mehrere Formen haben: Gesundheit und Nachhaltigkeit als Motiv, guten Geschmack, oder das Wegfallen von etwas Negativem wie Umweltschäden.

Von sich aus ändert der Mensch sein Verhalten nicht
Im Podium zum Abschluss des Vormittags gab Daniela Lager ihrer Erschütterung Ausdruck, dass es kaum Bio Influencer gebe. «Wo bleibt Euer Jamie Oliver, der Bioküche anpreist», fragte sie mit Blick auf einen populären englischen Volkskoch. Hier liegt möglicherweise tatsächlich ein Hund begraben, ist man doch in der Szene – vielleicht einmal abgesehen von marketingbewussten Startups – eher zurückhaltend bei der Kommunikation der Vorteile von Bio über Soziale Medien.

Im Gespräch kamen Lena Rutishauser, Niklaus Iten, Bettina Höchli und Christine Brombach in Bezug auf Bio zu einem eindeutigen Schluss: Essen sei Genuss und Lust – und mit Biolebensmitteln würden wir nicht nur uns etwas Gutes tun, sondern auch der Umwelt. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten politische Rahmenbedingen geschaffen werden. Von sich aus ändere der Mensch sein Verhalten nicht, so ihr gemeinsames Fazit laut der Medienmitteilung der Organisatoren.

Bio Suisse-Präsident Urs Brändli wies abschliessend auf einen wichtigen Punkt hin. «Beim Bioland Schweiz sind wir schon deutlich weiter als bei den 11 Prozent Marktanteil», so der St. Galler Landwirt. Viele Biomethoden seien unterdessen auch auf den IP- und ÖLN-Betrieben angekommen. Vermutlich betrage der kumulierte Bioanteil eher 30 Prozent, sagte Brändli.

Grosse Diskussionsbereitschaft
Am Nachmittag diskutierten die Teilnehmenden in Workshops und World Cafés über Verarbeitungstechnologien sowie Rahmenbedingungen und ihre Rolle in der und für die Ernährungstransformation. Im Mittelpunkt stand dabei die Rolle von Bio und darüber hinaus. Es zeigte sich, wenn man ein Fazit wagen will, dass die Biobewegung bezüglich der Transformation des Ernährungssystems:

  • einig ist, dass es diese Umwandlung braucht,
  • in vielen Punkten wie der sinnvollen Höhe des Fleischkonsums zwar uneinig ist,
  • aber die Diskussion darüber keinesfalls scheut.

Und dies ist sicher eine gute Grundvoraussetzung, um die grosse Kiste weiter zu bearbeiten.

Adrian Krebs, FiBL

Weiterführende Informationen

Biosymposium  (Webseite des Events)

Hinweis: Dies ist eine tagesaktuelle Meldung. Sie wird nicht aktualisiert.

Möchten Sie die Website zum Home-Bildschirm hinzufügen?
tippen und dann zum Befehl zum Home-Bildschirm hinzufügen nach unten scrollen.