Diese Website unterstützt Internet Explorer 11 nicht mehr. Bitte nutzen Sie zur besseren Ansicht und Bedienbarkeit einen aktuelleren Browser wie z.B. Firefox, Chrome
FiBL
Bio Suisse
Logo
Die Plattform der Schweizer Biobäuerinnen und Biobauern

Tage der Agrarökologie: «Eine Aktion voller Schwung und Dynamik»

Meldung  | 

Am Mittwoch beginnen die fünften Tage der Agrarökologie. Vom 1. bis zum 31. Oktober finden über 50 Veranstaltungen statt. So z. B. auf dem Huebhof am Zürcher Stadtrand. Im Vorfeld von «Agroecology works!» erzählt die Co-Leiterin über ihren Betrieb und wie das Team dort Agrarökologie umsetzt.

«Wir versuchen momentan vor allem, Kreisläufe zu schliessen», sagt Huebhof-Co-Betriebsleiterin Bettina Wolfgramm. Links auf der Schaufel Praktikantin Luzia Graf. Foto: Huebhof

Wie kann die Schweiz ihr Ernährungssystem zukunftsfähig machen – ökologisch, sozial und ökonomisch? Während die Politik noch über den richtigen Weg diskutiert, zeigen zahlreiche Initiativen bereits konkrete Lösungen. Diese stehen im Zentrum der Veranstaltungsreihe Tage der Agrarökologie, zu welcher das Schweizer Netzwerk für Agrarökologie «Agroecology Works!» im Oktober zum fünften Mal einlädt. Unter dem Motto «Vielfalt leben, Gerechtigkeit pflanzen! Gemeinsam gestalten wir unser Ernährungssystem» finden über 50 Veranstaltungen in der ganzen Schweiz statt, organisiert von Höfen, Forschungseinrichtungen, NGOs und weiteren Akteur*innen.

Gemeinschaftliche Zusammenarbeit mit Konsumierenden

Einer dieser Höfe ist der Huebhof in Schwamendingen am Stadtrand von Zürich, wo ein engagiertes Team Gemüse-, Obst- und Geflügelprodukte nach der Idee der Solidarischen Landwirtschaft produziert. Die Solidarische Landwirtschaft basiert auf der gemeinschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Landwirt*innen und Konsumierenden. 

Die Konsumierenden sind Mitglieder des Hofs, bezahlen einen vorgeschlagenen Jahresbeitrag und beteiligen sich aktiv auf dem Acker oder bei anderen Aufgaben im Betrieb. Im Gegenzug erhalten sie einen Teil der Ernte. So übernehmen sie sowohl die Risiken als auch die Vorteile der Produktion. Die Landwirt*innen haben einen klar definierten Absatzmarkt und dadurch eine grössere Planungssicherheit hinsichtlich ihrer Mengen und Preise.

Was treibt die Menschen auf dem Huebhof an?

Wir wollten wissen, was die Menschen auf dem Huebhof antreibt, welche Visionen sie haben und wie sie die Landwirtschaft der Zukunft sehen. Diese und weitere Fragen hat Leoni Rast vom Organisationsteam mit Bettina Wolfgramm, Ko-Betriebsleiterin des Huebhofs, diskutiert.

Bettina, du arbeitest jetzt schon seit zweieinhalb Jahren auf dem Huebhof. Was ist dein Hintergrund und wie kam es dazu, dass du dich für diese Arbeit entschieden hast? 

Bettina Wolfgramm: Ich habe Umweltingenieurin an der ETHZ studiert. Im Anschluss konnte ich an der Uni Bern einen PhD absolvieren mit Feldforschung in Tadschikistan und intensiver Zusammenarbeit mit tadschikischen Instituten. Insgesamt war ich 13 Jahre am «Center for Development and Environment» (CDE) der Uni Bern angestellt und habe an angewandten Forschungsprojekten vor allem in Zentralasien gearbeitet. Mit der Zeit habe ich immer mehr Workshops organisiert und Spass am Netzwerken sowie der Umsetzung von Projekten gefunden. So kam der Punkt, an dem ich gemerkt habe, dass die Uni und die Forschung nicht mehr der richtige Ort für mich sind.

Über regelmässiges Gärtnern beim Stadtrandacker, zwei Alpsommer und eine Anstellung bei Basimilch in der Hofkäserei auf dem Biohof im Basi, rutschte ich in die Landwirtschaft. Ich habe die 2-jährige Landwirtschaftslehre mit EFZ absolviert. Noch während der Lehrzeit lief die Ausschreibung für die Neuverpachtung des Huebhofs. Dieser schien wie für unser Team gemacht und wir konnten dann tatsächlich diesen schönen Betrieb übernehmen. Hier habe ich extrem viele Möglichkeiten mitzugestalten und Dinge umzusetzen.

Was sind die täglichen Herausforderungen, denen du auf dem Hof und speziell in einer Solidarischen Landwirtschaft begegnest?

Wir haben einerseits über die Solawi und die Arbeitseinsätze der Mitglieder viele Leute auf dem Hof. Daneben haben wir einige Praktikannt*innen, die zumeist nur Teilzeit hier arbeiten. Ausserdem ist in der Landwirtschaft sowieso alles abhängig vom Wetter und davon, was die Tiere gerade benötigen. Das erfordert sehr viel Flexibilität bei der Arbeitsorganisation und viel Pragmatismus in der Umsetzung. Dadurch, dass wir den Hof in einem Dreierteam leiten, braucht es gute Arbeitsteilung und viel Koordination untereinander. 

Und was motiviert dich Tag für Tag bei deiner Arbeit?

Ich schätze sehr, dass wir hier in Schwamendingen extrem offen empfangen wurden. Es haben sich sehr schnell schöne Kontakte zu unseren Mitgliedern ergeben. Daneben gibt es in der Nachbarschaft sehr gute Kooperationen: mit der Wirtschaft Ziegelhütte, den umliegenden landwirtschaftlichen Betrieben, dem Probsteischulhaus, sowie mit den verschiedensten aktiven Vereinen und Organisationen hier in Schwamendingen. Es macht mir extrem Spass, zusammen oder im Austausch etwas auf die Beine zu stellen. 

Kannst du ein Beispiel einer solchen Zusammenarbeit nennen?

Die Wirtschaft Ziegelhütte kauft regelmässig unsere Lebensmittel (Gemüse, Most, Fleisch), obwohl sie im Grosshandel zu tieferen Preisen und kurzfristiger einkaufen könnte. Doch die Verantwortlichen nehmen diesen extra Aufwand in Kauf, durch eine gute Kommunikation mit den Kund*innen können sie unsere Produkte zu einem angemessenen Preis absetzen. Z. B. haben wir ihnen zwei ganze Ochsen verkauft, die dann während dem OX-Monat das Menü prägen. Und sie haben ihren Gästen dadurch den Nose-to-Tail Ansatz, also die Verwertung aller Teile eines Tieres, nähergebracht. Jeweils im Herbst kann das Sauerkraut aus Huebhof Kohl, das wir zusammen mit dem Küchenteam der Ziegelhütte herstellen, auf den Herbststellern der Ziegelhütte genossen werden.

Gibt es ein Erlebnis oder eine Begegnung auf dem Hof, die dir besonders in Erinnerung geblieben ist? 

Für mich sind die Tiere und die Arbeit mit ihnen etwas, das mir emotional viel gibt. Zudem bin ich verantwortlich für die Hofbesuche für Schulklassen hier auf dem Hof. Es ist immer total spannend zu sehen, wie nervöse und laute Kinder plötzlich ganz selig werden, wenn sie ein Huhn auf dem Arm tragen. 

Agrarökologie – was bedeutet das für dich und wie setzt ihr Agrarökologie auf dem Huebhof um?

Wir versuchen momentan vor allem Kreisläufe zu schliessen. Einerseits wollen wir den Einsatz des Hofdüngers optimieren und machen Feldrandkompostmieten. Weiter sind wir am Wassermanagement dran und konnten dieses Jahr Wiesengräben nach Keyline Design baggern. Es sollen Retentionsbecken und ein renaturierter Graben für den Überlauf folgen.

Seid ihr auch über eure Hofgrenzen hinaus in der agrarökologischen Bewegung in der Schweiz aktiv? 

Wir sind in einer Arbeitsgruppe, in der alle Akteur*innen in der Produktions- und Wertschöpfungskette von der Getreidezüchtung bis zur Brotproduktion vertreten sind. Dabei beteiligen wir uns speziell an der Züchtung von Emmer, einer der ältesten kultivierten Getreidearten. Wir vermehren eine Zuchtsorte für die Getreidezüchtung Peter Kunz. Das Ziel ist, eine Emmer-Hofsorte zu finden, die für unseren Standort geeignet ist und passende Backeigenschaften hat. Dafür arbeiten wir mit der Biobäckerei Sundaram zusammen, welche die Backeigenschaften testet. In der Arbeitsgruppe sind auch Leute mit Fachwissen zu Getreidereinigung und -lagerung, mit Kontakten zu den kleinen Mühlen vertreten. Schlussendlich wollen wir eine Nische aufbauen und erreichen, dass alle nötigen Schritte in der Getreidewertschöpfungskette über den Brotpreis finanziert werden können. Das ist heute nicht der Fall, gerade die Züchtung muss ihre finanziellen Mittel immer wieder zusammensuchen. 

Welche Unterstützung würdet ihr euch von der Politik wünschen, damit Höfe wie eurer langfristig bestehen können?

Unsere Lohnkosten sind der grösste Brocken, den wir zu tragen haben. Daher würde uns ein schweizweites Grundeinkommen, durch das ein Grundstock unserer Lohnkosten gedeckt wären, sehr unterstützen. Zudem wünsche ich mir eine Anerkennung für die sozialen Leistungen, die wir auf dem Huebhof erbringen: wir sind eigentlich auch ein Gemeinschaftszentrum, wo es kulturelle Anlässe gibt, Familien sich treffen und Menschen, die mal eine Auszeit brauchen, mitarbeiten können. Das alles braucht viel Organisation. 

Gleichzeitig bekommen wir auch schon Unterstützung für gewisse Projekte, z. B. stammen die finanziellen Mittel für die Planung und Umsetzung der Wiesengräben nach Keyline Design von der Stadt Zürich und von Zahlungen für Landschaftsqualitätsmassnahmen des Kantons. Zudem profitieren wir von den Direktzahlungen, die ökologische Produktionsweisen fördern. Flächenbeiträge sind für uns jedoch kaum von Bedeutung. 

Was motiviert euch, an den Tagen der Agrarökologie teilzunehmen? 

Die Tage der Agrarökologie nehme ich als eine Aktion voller Schwung und Dynamik wahr. Die Ermutigung, sich mit anderen Organisationen zusammenzutun, um Veranstaltungen zu organisieren, schätze ich sehr: dadurch kann so vieles verknüpft werden.  

In deiner Wunschvorstellung: Wie würde die Landwirtschaft in der Schweiz heute aussehen?

Ich habe das Glück, in einem sehr dynamischen Umfeld aktiv zu sein, in dem fast alle Höfe agrarökologische Ansätze wie Agroforst oder Solawi ausprobieren und umsetzen. Manche Betriebe gehen in Richtung regenerative Landwirtschaft, weitere arbeiten an der kleinräumigen Präzisionsmechanisierung. Es gibt also eine grosse Vielfalt vielversprechender Ansätze! Mein Wunsch wäre, dass diese Dynamik sich über unsere Nische hinausgeht und sich in der gesamten Schweiz und darüber hinaus etabliert. Alle Höfe müssen sich konstant verändern und anpassen, viele beginnen z. B. mit Direktvermarktung: ich bin also recht zuversichtlich. 

Was denkst du, könnten wir alle tun, um dem näher zu kommen? Welche Rolle muss die Politik einnehmen?

Aus meiner Sicht ist es zentral, dass die Nähe zur Landwirtschaft insgesamt in der Gesellschaft zunimmt. Solawis bieten allen die Möglichkeit, sich einem Hof anzuschliessen und ein Gemüseabo, Eierabo, usw. abzuschliessen, mitzugestalten, neue Einblicke zu gewinnen und sich auszutauschen. Die Politik sollte sich dafür einsetzen, dass der Einstieg in die Landwirtschaft für Interessierte nicht mit zu grossen Hürden verbunden ist. Der Nebenerwerbskurs ist hier eine gute Möglichkeit.  

Interview: Leoni Rast, Koordinatorin Tage der Agrarökologie Deutschschweiz und Tessin

Weiterführende Informationen

 

Hinweis: Dies ist eine tagesaktuelle Meldung. Sie wird nicht aktualisiert.

Möchten Sie die Website zum Home-Bildschirm hinzufügen?
tippen und dann zum Befehl zum Home-Bildschirm hinzufügen nach unten scrollen.