Diese Website unterstützt Internet Explorer 11 nicht mehr. Bitte nutzen Sie zur besseren Ansicht und Bedienbarkeit einen aktuelleren Browser wie z.B. Firefox, Chrome
FiBL
Bio Suisse
Logo
Die Plattform der Schweizer Biobäuerinnen und Biobauern

Nichtstun als Erfolgsrezept für den Pflanzenschutz

Meldung  | 

Pascal Stacher sieht seine Obstanlagen als Ökosystem, das sich selbst regulieren soll. Er schont Nützlinge und toleriert gewisse Schädlinge, ohne Ertrag und Qualität zu verlieren.

2009 hat der Thurgauer den Betrieb von seinem Vater zuerst in Pacht übernommen. 2021 folgte die Umstellung auf Bio. Bereits zuvor verzichtete er auf Massnahmen, die «alle Insekten abgeräumt» hätten. Foto: BauernZeitung, Jil Schuller

Nichtstun: «Damit müsste es doch auch gehen», dachte Pascal Stacher und beschloss, auf die natürliche Regulation von Schädlingen zu setzen. Bereits sein Vater siedelte die ersten Nützlinge an, als gegen Birnblattsauger und Rote Spinne wegen Resistenzen keine Chemie mehr half. 2009 übernahm er den elterlichen Obstbaubetrieb in Pacht und reduzierte kontinuierlich den Einsatz von Insektiziden v.a. gegen saugende Schädlinge wie Birnblattsauger, Blattläuse und Spinnmilben. Wirkliche Schäden würden diese nur bei massenhaftem Auftreten verursachen, sagt Stacher. «Man muss ein Gleichgewicht erreichen, dann sind sie kontrollierbar.»

Das Ziel als Obstfachmann

Pascal Stacher sieht seine Obstanlagen als Ökosystem, das sich weitestgehend selbst regulieren soll. «Ich bin Obstfachmann und als solcher habe ich das Ziel, möglichst ökologisch, mit möglichst wenig Hilfsstoffen möglichst viel Klasse-I-Ertrag zu haben», erklärt er sein Berufsverständnis. Das gelingt ihm dank indirektem Pflanzenschutz in Form von Düngung, Schnitt- und Pflegemassnahmen der Bäume und dem Einsatz von Nützlingen. Ob Freund oder Feind – Stacher kennt die Insekten in und um seine Kirschen-, Birnen- und Apfelanlagen.

Um die mittlerweile etablierten Populationen von Nützlingen wie Ohrwürmern, Schwebfliegen, Weichwanzen oder Schlupfwespen zu erhalten, verzichtet Stacher auf Breitband-Wirkstoffe wie Spinosad oder Paraffinöl. Neem wirke zwar selektiv auf Blattläuse, doch er zweifelt am Kosten/Nutzenverhältnis des teuren Mittels. «Ich behandle nur gegen Schlüsselschädlinge direkt, nur bei Bedarf und mit hochselektiven Wirkstoffen wie Viren und Bakterien oder Verwirrungstechnik», stellt er klar. Dazu zählen Apfel- und Schalenwickler, Sägewespe und Blütenstecher. Letzterer werde «als einzige Ausnahme» im Frühling mit Pyrethrum bekämpft. «Das ist ein Kontaktmittel und so früh im Jahr können Nützlinge gut wieder aus den unbehandelten Kulturen einfliegen.»

Blattläuse werden unschädlich

Das Resultat dieser nützlingsschonenden Herangehensweise sind lebendige, gesunde Obstanlagen. «Das ist ein Lausbaum», meint Pascal Stacher beim Gang durch die Reihen und deutet auf einen Kirschbaum mit gerollten Blättern. Doch die Blattläuse sind tot – gefressen, parasitiert, unschädlich gemacht von den zahlreichen Schwebfliegen und Marienkäfern bzw. deren Larven, die auf Blättern und Stämmen unterwegs sind. Der Lausbefall hat Spuren hinterlassen, doch die jüngsten Blätter sind bereits wieder gesund und die Kirschen so gross und rot wie am verschonten Nachbarbaum.

Zur Prävention einer Lausplage – insbesondere dann, wenn noch wenig Nützlinge aktiv sind – streut der Thurgauer im Frühjahr Zucker um die Kirschbaumstämme. Dies als Futteralternative für Ameisen, damit sie keine Strassen nach oben anlegen und anfangen, Blattläuse zu hegen.

Ein wichtiger Faktor in Pascal Stachers Obst-Ökosystem ist die Pflege des Unterwuchses. Der Boden unter Kirsch-, Apfel- und Birnbäumen ist bewachsen mit diversen Kräutern wie Fünffingerkraut, Schafgarbe, Kleearten und Gräsern. «Es soll wachsen und blühen, was von selbst kommt», erläutert Stacher, «das kostet nichts und passt hierher.» Mit dem Fadengerät wird das Grün in der Höhe getrimmt, damit es nicht in die Bäume hineinwächst und so wegen mangelnder Durchlüftung das Risiko für Pilzkrankheiten steigt. Im Unterwuchs überwintern viele Nützlinge, weshalb der Obstfachmann auch die als Hindernis beim Mähen verschrienen Horstgräser schätzt. Gleichzeitig erschweren seiner Erfahrung nach die Bodenbedeckung bzw. deren Bewohner den Schädlingen das Überleben. «Es leben etwa Kurzflügler in der Vegetation um die Stämme und räumen Schädlinge richtig ab.» Die Mortalität von Blutläusen und Co. steige so deutlich, sie können keine verheerenden Massenbefälle verursachen. Der lebendige Baumstreifen sorge überdies für eine optimale Feldhygiene. Von schädlichen Gallmücken befallene Birnen entfernt der Thurgauer von Hand, statt zur Spritze zu greifen.

30 Jahre alte Wurzeln

Mäuse behält Pascal Stacher durch konsequentes Mausen im Griff. «Das müsste ich auch ohne Unterwuchs», ist er überzeugt. Zwar verursache die Bodenbedeckung einen gewissen Fruchtfall, das reduziere aber das manuelle Ausdünnen des Behangs.

Aufbau und Pflege der Obstanlagen sind weitere Punkte, die auf dem Biohof Stacher zum Pflanzenschutz beitragen. Die Kirschbäume sind hoch und haben eine schmale Form, dicke Äste werden weggeschnitten. Die seitlichen Netze schützen vor der Kirschessigfliege (KEF). «Die letzten drei Jahre haben wir die KEF mit Attract-&-Kill-Ködern reguliert», schildert Pascal Stacher. Heuer hat er präventiv Schlupfwespen ausgebracht. Mit der Marmorierten Baumwanze hatte Stacher bisher keine Probleme. Er vermutet, sie hätte angesichts der anderen Wanzenarten bei ihm schlicht keinen Platz, um sich invasiv auszubreiten.

Bei den Äpfeln fallen kürzlich remontierte und gepfropfte Bäume auf. Die Wurzeln dieser Pflanzen sind bis zu 30 Jahre alt, was sie robust gegen Mäuse und Wassermangel macht. Ausserdem bieten solch alte Pflanzen wertvolle Lebensräume für Nützlinge. «Es ist mir wichtig, die Bäume selbst zu erziehen. Sie sollen so alt wie möglich werden – alte Bäume sind resilienter», bemerkt der Thurgauer.

Die neu gepropften Bäume mit jeweils zwei Reiser pro Apfelbaum will er zu einer Doppelspindel ziehen. Neben Pflanzung und Schnitt sorgt eine gute Düngung für gesunde Pflanzen, wobei Stacher Mistkompost und Federmehl als Quelle für Stickstoff, Phosphor und Kalium einsetzt sowie mit Biostimulanzien arbeitet. Blühstreifen in den Fahrgassen hat der Thurgauer keine, wegen der Befahrbarkeit: «In der Primärzeit des Schorfs muss ich die ganze Fahrgasse zur Verfügung haben, um durch versetztes Fahren Spuren zu verhindern.»

Krankheiten gezielt regulieren

Denn Schorf ist eine Krankheit, die Pascal Stacher in Atem hält. «Weil ich die Blattläuse fast vergessen kann, kann ich mich darauf konzentrieren», gibt er zu bedenken. Er setze – verteilt auf 10 Spritzungen – maximal 1,5 Kilo Kupfer pro Hektare pro Jahr dagegen ein. In diesen Mengen hält er das Schwermetall und Spurenelement Kupfer für unproblematisch. Weiter kommen Natriumhydrogenkarbonat (Backpulver), Netzschwefel und Schwefelkalk zum Einsatz.

Schon vor der Bioumstellung arbeitete Stacher nützlingsschonend. Die Zertifizierung war für ihn eine Möglichkeit, das auch in Wert zu setzen. 95 Prozent seiner Ernte geht in den Grosshandel (Tobi Seeobst AG). Ein guter Biopreis zusammen mit weniger Input geben ihm Luft, mehr auszuprobieren. Und es ist ihm wichtig, genügend Personal zu haben – damit alle sorgfältig arbeiten und um Stress sowie Fehler zu vermeiden.

Ursachen von Ausfällen

«Natürlich kann man mal einen Schuh voll rausziehen», sagt er. Als es doch mal einen massiven Blattlausbefall bei seinen Kirschen gab, nahm es Stacher als Ansporn und versuchte zu verstehen, was in seinem Ökosystem nicht gestimmt hat. «Damals gab es mehrere Fehler. Etwa, sind die Nützlinge abgewandert, weil wir drei Tage vor dem Dichtmachen der Netze gemulcht hatten.» Der Thurgauer wettert nicht gegen die Agrochemie, «aber ich habe etwas gegen das Geschäft mit der Angst.» Er kennt gut gemeinte Warnungen, dass aus einem Schädling plötzlich eine Plage wird. Stacher pflückt eine kleine Birne und zeigt darauf vier Birnblattsauger-Larven. Gleich darüber tummeln sich die Ohrwürmer in einem Töpfchen voll Holzwolle. «Einer von denen vertilgt bis zu 100 Larven pro Tag», sagt der Thurgauer. «Sind die vier ein Problem? Ich denke nicht.» Schliesslich brauchten die Nützlinge auch noch etwas zu Fressen.

Hinter seinem Wissen steckt viel Selbststudium und Ausprobieren, doch er betont auch den Austausch mit Berufskollegen. Die Freude an der Arbeit ist Pascal Stacher anzumerken. Die Art, wie er arbeitet, hat einen grossen Anteil an dieser Freude. «Für mich ist es wichtig, tun zu können, was ich will, nicht am Hungertuch zu nagen und dass auch alle, die hier arbeiten, es gerne tun.» Zum Schluss kann er mit Berufsstolz sein gesundes, feines Obst abliefern. Und auch mit dem Nichtstun könne er sich gut arrangieren, sagt Stacher schmunzelnd.

Jil Schuller, Bauernzeitung

Dieser Artikel wurde am 4. Juli 2025 in der Bauernzeitung veröffentlicht.

Weiterführende Informationen

Kultur und Vielfalt schützen
Wie gelingt es, Pflanzenschutz, Produktion und Biodiversität sinnvoll zu kombinieren? In einer Serie in Zusammenarbeit mit der Plattform «Blühende Lebensräume» von FiBL, Agroscope, HAFL und dem Schweizer Bauernverband zeigt die Bauernzeitung anhand von Praxisbetrieben cleveren Pflanzenschutz, der durch Nachhaltigkeit besticht.
Plattform «Blühende Lebensräume» (agroscope.admin.ch)

 

Pflanzenschutz im Obstbau (Rubrik Obstbau)
Funktionelle Biodiversität im Obstbau (Rubrik Obstbau)
Informationsplattform zur Förderung der Biodiversität in der Landwirtschaft (agrinatur.ch)

Hinweis: Dies ist eine tagesaktuelle Meldung. Sie wird nicht aktualisiert.

Möchten Sie die Website zum Home-Bildschirm hinzufügen?
tippen und dann zum Befehl zum Home-Bildschirm hinzufügen nach unten scrollen.