Mit seinen Linsen ist Urs Tellenbach heuer zufrieden. «Das sind besonders feine Beluga-Linsen», erklärt er am Feldrand der Schar Journalist*innen vor ihm. Angrenzend wachsen Ackerbohnen, die durch einen Sturm die obersten Hülsen eingebüsst haben, Kichererbsen und etwas weiter Popcorn-Mais und Sorghum.
Die Bereitschaft wäre da
Die Vielfalt der Kulturen auf dem Breiten-Hof in Pieterlen BE ist gross, aber um die Vermarktung müssen sich Tellenbachs selbst kümmern: mit einem Hofladen und Workshops, in denen Monika Tellenbach zeigt, wie die wenig bekannten Lebensmittel zubereitet werden können. «Wir haben eine gute Wertschöpfung, weil wir ab der Ernte alles selbst machen», sagt der Landwirt. Er ist überzeugt: Die Landwirtschaft wäre bereit, mehr und andere Kulturen anzubauen. Ihm selbst macht das Ausprobieren und Entwickeln des Anbaus von Linsen, Sorghum und Co. grosse Freude. Aber Wirtschaftlichkeit und Pflanzenschutz sind schwierig und die Importkonkurrenz ist gross.
Aus diesem Grund haben der Schweizer Bauernverband (SBV), IP-Suisse (IPS) und Bio Suisse zu einer Medienkonferenz auf den Breiten-Hof geladen. Der gemeinsame Auftritt sei eine Premiere, hielt SBV-Mediensprecherin Sandra Helfenstein fest. Die drei Verbände eint ein Problem: «Alle reden von pflanzlicher Ernährung, aber auf dem Feld geht es 180 Grad in die andere Richtung.»
Importe decken die Nachfrage
Die obige Aussage untermauerte David Brugger, Leiter Pflanzenbau beim SBV, mit Zahlen. Die Statistiken zeigen, dass die pflanzliche Produktion in der Schweiz rückläufig ist. «Das ist ein langfristiger Trend», so Brugger. Bei einem Selbstversorgungsgrad von 35 Prozent bei pflanzlichen Lebensmitteln werde die Nachfrage zunehmend über Importe gedeckt.
Es lässt sich festhalten: Die Nachfrage ist da, aber nicht unbedingt nach pflanzlichen Produkten aus der Schweiz. Christophe Eggenschwiler, Geschäftsführer von IP-Suisse, erläuterte dies am Beispiel Quinoa. Die Labelorganisation hat 2015 mit dem Anbau dieses Pseudogetreides begonnen und ihn bis auf 40 Hektaren ausgedehnt. «Wir haben viel Ressourcen, Zeit und Geld investiert», so Eggenschwiler. 2025 folgte nach schrittweisem Abbau die vollständige Aufgabe des Projekts. «Dafür gibt es zahlreiche Gründe: fehlende Marge der Detailhändler gegenüber Import-Bio-Ware, weil es keinen Grenzschutz gibt, fehlende Wirtschaftlichkeit für die Landwirt*innen, neue Schädlinge und kein verfügbares Herbizid mehr.»
Trend zu Fleischalternativen flacht ab
Bei Protaneo, dem Joint Venture, in dem IP-Suisse mit Partnern eine Wertschöpfungskette für Schweizer Proteinkonzentrat aufgebaut hat, harzt es ebenfalls. Hier nannte Christophe Eggenschwiler die Importkonkurrenz als Hauptgrund. Der Preisunterschied liege je nach pflanzlichem Produkt etwa bei Faktor drei.
Zudem flache der Trend zu Fleischalternativen bereits ab. «Aber wir geben nicht auf, wir haben ein gutes Produkt und werden es weiter vorantreiben.» Allerdings ist der Anbau von IP-Suisse-Eiweisserbsen und Ackerbohnen derzeit sistiert. Durch die Aufgabe von Kulturen gehe auch Wissen verloren, gab Regula Beck, Geschäftsführerin der Beck und Cie. Mühle Landshut in Utzenstorf BE zu bedenken.
Hoffnung auf die Agrarpolitik 2030+
An der Medienkonferenz war fehlender oder mangelhafter Grenzschutz ein wiederkehrendes Thema. SBV-Direktor Martin Rufer schnuppert da Morgenluft im Zusammenhang mit der Agrarpolitik 2030+ (AP 30+): «In Bundesbern waren Anpassungen beim Grenzschutz lange ein Tabu. Jetzt wird offen darüber diskutiert.» Zollschutz sei keine universelle Lösung, so die Meinung des IPS-Geschäftsführers Christophe Eggenschwiler. «Aber es kann demotivierend sein, wenn ein Teil des zukunftsorientierten Schweizer Unternehmertums dadurch zum Erliegen kommt.»
Urs Brändli kritisiert raumplanerische Hürden
Gerade Bio-Landwirte würden gerne mehr und andere Kulturen anbauen, sagte Bio-Suisse-Präsident Urs Brändli. Knackpunkt sei die Wirtschaftlichkeit, etwa beim Hafer. Hingegen seien Bio-Zuckerrüben ein Beispiel, wie dank des gemeinsamen Engagements von Wertschöpfungskette und dem Bundesamt für Landwirtschaft der Schweizer Pflanzenbau erfolgreich gefördert werden könne. «Dank Innovationen im Anbau und Verlässlichkeit im Verkauf kann die Nachfrage nun deutlich besser gedeckt werden», so Brändli.
Während seine Vorredner auf wegfallende Wirkstoffe und den Zulassungsstau hingewiesen hatten, kritisierte der Bio-Suisse-Präsident raumplanerische Hürden für baulichen Pflanzenschutz wie Hagel- oder Insektenschutznetze. Er habe viel Verständnis für den Landschaftsschutz. «Aber wenn wir Pflanzenschutzmittel reduzieren und die vom Markt geforderte optische Qualität erreichen wollen, dann sind Kompromisse gefragt.»
Verständnis und Lernen
Beim Grenzschutz ansetzen, «aber vor allem auch beim Konsumenten»: Das ist die Devise von Regula Beck. Sie gab mehrere Beispiele von weniger geläufigen Kulturen wie Emmer, Lein- oder Mohnsamen, die in ihrer Region von Pionier*innen angebaut und von der Mühle Landshut ins Sortiment aufgenommen worden sind.
Teilweise sei – nach viel Vorleistungen und Lehrgeld – ein Kund*innenbedürfnis und damit ein Markt dafür entstanden. «Und doch kommt es nicht wirklich zum Fliegen», stellt Beck fest. Sie sieht den Schlüssel in Kooperationen innerhalb der Branche und Verständnis für die ganze Getreidekette – auch «an den Schreibtischen.» Ebenso betonte sie, Kinder müssten ernährungstechnische Zusammenhänge und das Kochen lernen.
Replik von der Initiantin «Für eine sichere Ernährung»
Einen Tag nach der Medienkonferenz verschickt Franziska Herren eine Replik. Ihre Initiative «Für eine sichere Ernährung» biete Hand zur Lösung, um den Pflanzenbau in der Schweiz zu fördern. Die Initiative verlangt vom Bund das Anstreben eines Selbstversorgungsgrades von 70 Prozent. «Dadurch erhalten die Bauernfamilien Abnahmesicherheit für ihre Ernten», ist Herren überzeugt. Ihr zufolge würden dank ihres Vorstosses die Rahmenbedingungen zur Förderung von Produktion und Konsum pflanzlicher Lebensmittel geschaffen, deren Fehlen die Verbände beklagten. Der SBV hingegen sieht in der Initiative in erster Linie eine unsinnige und unnötige Bevormundung des Konsumenten und bekämpft sie als «Vegi-Initiative».
Jil Schuller, BauernZeitung
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Weiterführende Informationen
Die Webseite des gastgebenden Betriebs (breiten-hof.ch)
Die Medienmitteilung mit sämtlichen Referaten (sbv-usp.ch)