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Die Sorgen bleiben: Wie digitale Tools auf Europas Höfen ankommen

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Digitalisierung verspricht Effizienz, Transparenz und Arbeits­erleichterung – auch im Biolandbau. Doch die Realität auf den Höfen ist komplexer: Eine Umfrage des FiBL im Rahmen eines EU-Projektes zeigt, wo Potenziale liegen, aber auch, wo es harzt.

Digitale Hilfsmittel wie beispielsweise Melkroboter müssen praxistauglich sein und Datensicherheit gewährleisten. Foto: Bio Suisse, Jakob Ineichen

Die im Jahr 2023 durchgeführte Umfrage unter 500 europäischen Landwirt*innen, Berater*innen und Verbandsvertreter*innen bringt differenzierte Einsichten: Digitale Anwendungen wie Wetter­beobachtung, Wasser- und Betriebs­management sowie Kommunikations­dienste sind verbreitet. Die Akzeptanz nimmt allerdings ab, je komplexer die Tools werden. «Die Gründe dafür sind mangelndes Wissen, fehlende Anpassung an betriebliche Realitäten und hohe Einstiegshürden», erklärt Joelle Herforth-Rahmé, FiBL Mitarbeiterin und Co-Projektleiterin des EU-Projektes PATH2DEA.

Beratung als Brücke

Berater*innen scheinen sich aufgrund der Umfrageergebnisse mit komplexen digitalen Anwendungen besser zurechtzufinden als Landwirt*innen. Sie könnten eine Schlüsselrolle spielen und dabei helfen, die Digitalisierung sinnvoll in den Alltag der Betriebe zu integrieren. Neben Fachwissen fehlt es aber oft auch an finanziellen Mitteln, Zeit und zuverlässigem Internetzugang – gerade in ländlichen Regionen.

Misstrauen, Mehrwert und Mitgestaltung

Ein zentrales Problem: Bei vielen löst die Komplexität der digitalen Anwendungen Stress aus oder sie haben Angst, beim Einsatz Fehler zu machen. Zudem trauen viele Bäuerinnen und Bauern den Anbietenden nicht, möchten sich nicht abhängig machen oder befürchten eine intransparente Nutzung ihrer Daten.

Laut Joelle Herforth-Rahmé wollen und sollen die Bäuerinnen und Bauern aktiv in die Entwicklung neuer Tools eingebunden werden. Denn nur so entstünden Lösungen, die praxistauglich, bedarfsgerecht und vertrauenswürdig sind. «Es braucht einen Dialog zwischen den Entwickelnden und der Landwirtschaft», so Joelle Herforth-Rahmé.

Praxistauglichkeit ist entscheidend

Entscheidend für den Einsatz digitaler Tools ist laut den Landwirt*innen ihr Potential, tatsächlich Zeit zu sparen, Kosten zu senken und gleichzeitig ökologische Ziele zu unterstützen. In Workshops in sechs europäischen Regionen wurde deutlich, dass sich die Teilnehmenden digitale Werkzeuge wünschen, mit denen sich Tiere, Pflanzen, Biodiversität und Wetter verfolgen lassen. Diese sollten mit bestehenden Maschinen kompatibel sein, dabei helfen, Betriebsmittel und Ressourcen zu sparen, die Betriebsorganisation erleichtern und den Wissens- und Informationsaustausch mit der Beratung und Konsumierenden ermöglichen.

Datensouveränität statt Datenmacht

Bei einem von PATH2DEA organisierten runden Tisch mit Vertreter*innen aus Politik, Verbänden und Zivilgesellschaft in Brüssel wurde deutlich: Die EU arbeitet zwar an einem gemeinsamen «Agrardatenraum», doch die Sorgen bleiben. Was passiert mit Informationen aus bäuerlicher Hand? Und wie lassen sich Daten vereinheitlichen und auf ihre Richtigkeit prüfen, ohne dass die Eigenheiten der jeweiligen Produktionssysteme verloren gehen? «Zivilgesellschaftliche Organisationen befürchten eine Machtkonzentration und Traditionsverlust», so Herforth-Rahmé. Digitalisierung dürfe kein Selbstzweck sein – und nicht zulasten kleinstrukturierter, vielfältiger Höfe gehen.

Wo steht der Schweizer Agrar- und Ernährungssektor?

Die Schweiz plant zwar keinen «Agrardatenraum», aber das BLW hat 2024 eine Digitalisierungsstrategie für den Schweizer Agrar- und Ernährungssektor veröffentlicht. Diese soll im Rahmen des Programms «DigiAgriFoodCH» während eines Zeitraums von acht Jahren verwirklicht werden. Berücksichtigt wurden dabei auch Bestrebungen der Branche wie zum Beispiel die Charta zur Digitalisierung der Land- und Ernährungswirtschaft.

Massnahmen für den Agrar- und Ernährungssektor sind die Erneuerung der vom BLW verwalteten und teils veralteten IT-Anwendungen, der Einbezug der gesamten Wertschöpfungskette, eine Erneuerung der Rechtsgrundlagen, die Realisierung der Plattform agridata.ch für den sicheren Datenaustausch, die Festlegung einheitlicher Datenstandards zur Sicherstellung der Kompatibilität der verschiedenen Systeme (Interoperabilität) und die Evaluation neuer Technologien.

Digitalisierung braucht Regeln – und bäuerliche Perspektiven

Für Joelle Herforth-Rahmé ist eine zentrale Erkenntnis aus dem PATH2DEA-Projekt, dass digitale Werkzeuge Potenzial haben, wenn sie sozial eingebettet, ökologisch sinnvoll und von den Praktiker*innen mitgestaltet werden: «Nicht die Technik, sondern der Mensch muss im Mittelpunkt stehen.» Ein Grundsatz, den sich auch die Schweiz im Hinblick auf die Digitalisierung des Ernährungssystems zu Herzen nehmen kann.

Wer sich vertiefter mit diesem Thema auseinandersetzen möchte, hat am 11. November Gelegenheit dazu. Dann findet der FiBL Erfahrungsaustausch Gemüsebau zum Thema «Erneuerbare Energien und digitale Lösungen für den biologischen Gemüseanbau» in Berikon und Oberwil-Lieli statt (Link siehe Weiterführende Informationen).

Corinne Obrist, FiBL

Weiterführende Informationen

Hinweis: Dies ist eine tagesaktuelle Meldung. Sie wird nicht aktualisiert.

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