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Mit den Füssen im Wasser – Der Reisbauer aus dem Kanton Aargau

Meldung  | 

Die Sonne glitzert auf der Oberfläche der Reuss. Doch die morgendliche Stille wird durchbrochen vom regelmässigen Brummen einer Maschine – in der Wildenau in Stetten AG ist die Reisernte in vollem Gange. Seit fünf Jahren bauen Natalie und Lukas Neuhaus hier Nassreis an.

Lukas Neuhaus begeistert am Reisanbau insbesondere die anspruchsvolle technische Arbeit. Foto: FiBL, Corinne Obrist

Mit dieser schwimmenden Setzmaschine werden die zehn Zentimeter grossen Reispflanzen ins geflutete Feld gesetzt. Foto: FiBL, Corinne Obrist

Nach dem Dreschen Anfang Oktober wird der Reis getrocknet und auf dem Betrieb entspelzt und geschliffen. Foto: FiBL, Corinne Obrist

Was auf den ersten Blick wie eine Szene aus Südostasien wirkt, ist landwirtschaftliche Realität mitten im Aargau. Doch die Anfänge waren holprig. «Wir hatten zu Beginn noch gar nicht die Option, die Flächen zu fluten und testeten den Trockenanbau ohne Wasser», meint Lukas Neuhaus. Doch das habe nicht funktioniert, denn das Wasser sei ein wichtiger Wärmespeicher: «Die Pflanzen wachsen vor allem wenn das Wasser konstant über 20 Grad hat.»

Präzision bis auf den Zentimeter

Bevor mit dem Reisanbau gestartet werden kann, muss die Fläche auf einen Zentimeter genau ausnivelliert und rundherum mit Dämmen von 30-40 Zentimetern Höhe eingefasst werden. Danach wird über eine Solarpumpe Wasser aus der Reuss eingeleitet. Zwei- bis dreimal pro Woche pumpt Neuhaus nach, um die Verdunstung auszugleichen. Im Reisfeld sind immer auch Enten unterwegs. Sie wühlen den Boden auf, trüben das Wasser und sorgen so dafür, dass es sich schnell erwärmt.

Die Reispflanzen zieht Lukas Neuhaus im Gewächshaus an. Mitte Mai werden die Setzlinge, zu diesem Zeitpunkt etwa zehn Zentimeter hoch, mit einer schwimmenden Setzmaschine ins geflutete Feld gesetzt. Der Wasserstand liegt zu Beginn bei rund acht Zentimetern und wird stetig dem Pflanzenwachstum angepasst.

Kampf gegen die Hirse

Die grösste Herausforderung für den Reisanbau ist die Verunkrautung mit Hirse. Hühnerhirse und Reishirse konkurrenzieren mit den Reispflanzen um Licht und Nährstoffe und behindern das Abreifen der Reiskörner. Während die Hühnerhirse durch Fluten weitgehend verdrängt werden kann, muss die Reishirse in regelmässigen Abständen mit einem Kettenstriegel entfernt werden.

Dieses Jahr kam noch der Froschlöffel dazu – eine Wasserpflanze, die sich nur von Hand beseitigen lässt. «Beim Dreschen ist das alles kein Problem mehr», sagt Neuhaus pragmatisch. «Die Hirsesamen fallen durchs Sieb, und wir verfüttern sie anschliessend an die Hühner.»

Dreschen und Vorbereiten fürs nächste Jahr

Mitte August lässt Neuhaus das Wasser aus den Feldern ablaufen. Wenn der Herbst trocken bleibt, kann Anfang Oktober gedroschen werden. Der Reis wird direkt im Kipper getrocknet und auf dem Betrieb entspelzt und geschliffen. Diese Arbeiten, wie auch die Nivellierung des Bodens, die Anzucht und das Setzen der Reispflanzen, führt Lukas Neuhaus auch für andere Produzent*innen aus der Region durch.

Nach der Ernte folgt die Bodenpflege: Grünroggen wird eingesät, um Sauerstoff in den Boden zu bringen und die Struktur zu verbessern. «Der Boden nimmt sehr schnell wieder Luft auf», erklärt Neuhaus. «Als Folgekultur wären Mais oder Gemüse denkbar.» Er plant hier auch im nächsten Jahr Reis anzubauen, allerdings mit grösserem Setzabstand und dem Einsatz des Pedi-Weeders, einer kleinen Jätmaschine, um die Hirse zu bekämpfen.

Auf den Reis gekommen

Auf die Idee im Aargau Reis anzubauen, kamen Lukas Neuhaus und seine Frau Natalie, als sie sich nach der ausserfamiliären Übernahme des Hofes auf die Suche nach einem speziellen, regional vermarktbaren Produkt machten. Weil die Flächen unten an der Reuss immer feucht waren und die Bewirtschaftung bei Hochwasser anspruchsvoll, drängte sich Reis als ideale Kultur auf.

Die nötige Technik fand er in Asien: Maschinen zum Setzen, Schleifen und Entspelzen, die er grösstenteils gemeinsam mit der Interessengemeinschaft Aargauer Reis anschaffte. Diese umfasst heute sechs Betriebe, die sich gegenseitig unterstützen und Erfahrungen austauschen.

Ein beliebtes Weihnachtsgeschenk

Bewährt hat sich die Risottosorte Loto. Es ist die einzige Sorte, die in der Region früh genug abreift. Sie ergibt einen aromatischen, sämigen Risotto und wird in Glasflaschen à 400 Gramm verkauft – ein beliebtes Geschenk in der Vorweihnachtszeit. «Rund 70 Prozent verkaufen wir im Dezember», erzählt Neuhaus. «Viele Firmen nutzen unseren Reis als Mitarbeitenden- oder Kundengeschenk.» Der Reisanbau funktioniert wirtschaftlich und die Nachfrage wächst. Neuhaus macht aber auch fleissig Werbung in der Region.

Lukas Neuhaus begeistert am Reisanbau insbesondere die anspruchsvolle technische Arbeit. Beeindruckt war er jedoch auch von der ökologischen Vielfalt, die mit der Vernässung der Flächen auf dem Hof Einzug hielt. «In unseren Feldern tummeln sich Libellen und Frösche», schwärmt Neuhaus, «Für mich steht der Ertrag im Fokus, aber es ist schön zu sehen, dass sich Produktion und Natur ergänzen.»

Paludikultur – Produktion auf nassen Böden

Was Neuhaus auf seinem Hof praktiziert, ist ein Beispiel für Paludikultur – die landwirtschaftliche Nutzung nasser oder wiedervernässter organischer Böden. Das Wort stammt vom lateinischen palus, was «Sumpf» bedeutet. Reis wird bisher in der Schweiz nur vereinzelt angebaut. Die meistverbreitete traditionelle Form der Paludikultur ist hierzulande die Gewinnung von Streue sowie die Beweidung von Feuchtflächen. Moderne Paludikulturen wie Schilf, Rohrkolben oder Seggen werden derzeit in der Schweiz kaum angebaut.

Historisch gesehen war die Nutzung nasser Böden weit verbreitet, erst durch Flusskorrekturen und Meliorationen im 18. und 19. Jahrhundert wurden viele Feuchtgebiete entwässert. Dies hatte gravierenden Folgen: Lebensräume verschwanden und die sich zersetzenden Torfmoose setzten viel CO₂ frei.

Ernte für Natur und Betrieb

Weil Feuchtflächen bedeutende Kohlenstoffsenken sein könnten, wird zurzeit auch über Wiedervernässungen diskutiert. So liesse sich organisches Material speichern und gleichzeitig Arten fördern, die an Wasser gebunden sind – wie die Libellen oder Amphibien in der Wildenau. Der Kanton Aargau hat sich beispielsweise zum Ziel gesetzt, 1000 Hektaren Land zu vernässen.

Paludikultur wäre eine Möglichkeit, Vorteile für die Umwelt mit landwirtschaftlichen Erträgen zu kombinieren. Auch Lukas Neuhaus meint: «Ich fände es schön, wenn bei Wiedervernässungen auch Reisfelder entstehen könnten – so liessen sich Produktion und Naturschutz sinnvoll verbinden.»

Wie sich Paludikultur praktisch umsetzen lässt und welche Chancen und Hürden es für Betriebe zu überwinden gilt, darum dreht sich die Tagung «Paludikultur – Wirtschaften mit nassen und moorigen Böden» am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in Frick. Fachleute aus Forschung, Verwaltung und Praxis, darunter auch Lukas Neuhaus, zeigen, wie sich Wiedervernässung und landwirtschaftliche Produktion verbinden lassen.

Corinne Obrist, FiBL

Weiterführende Informationen

FiBL Tagung zur Paludikultur (Rubrik Agenda)
Wildenau (wildenau.ch)

Hinweis: Dies ist eine tagesaktuelle Meldung. Sie wird nicht aktualisiert.

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