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Drosophila suzukii - Kirschessigfliege

Die Kirschessigfliege Drosophila suzukii Matsumura (Diptera: Drosophilidae) wurde 2008 nach Europa eingeschleppt. Die Fliegen befallen alle Weichobstarten (Beeren, Kirschen, Zwetschgen, Trauben), sowie viele wilde beerentragende Pflanzen. Trockenes und heisses Wetter bremsen die Aktivität der Kirschessigfliege, bei feuchten und schattigen Bedingungen in den Kulturen sind sie aber umso aktiver. Anfällige Kulturen sollten ab Farbumschlag mit Fallen und Fruchtkontrollen überwacht werden. Eine Überwachung von früher reifenden Wildpflanzen in der Umgebung, sowie ein intensiver Austausch mit benachbarten Produzenten können frühzeitig Hinweise auf eine starke Populationsentwicklung in der Region geben. Im folgenden Text werden mögliche Massnahmen beschrieben.

Die Massnahmen für die verschiedenen Kulturen stehen auch als Infoblatt zur Verfügung:
Regulierungsempfehlungen für den Bioanbau

Die Drosophila-Versuche am FiBL laufen im Rahmen der Taskforce (Finanzierung durch das BLW), sowie im Rahmen des Projektes Invaprotect (Finanzierung über Interreg).

1. Überwachung

1.1 Flugüberwachung

Zur Überwachung des Auftretens sollten in allen sensiblen Kulturen (Erdbeeren, Kirschen, Heidelbeeren, Himbeeren, Brombeeren, Trauben) beim Farbumschlag der Früchte Fallen aufgehängt werden (Fallentypen und Köder siehe weiter unten unter Massenfang). Die Fallen sollten im schattigen Bereich insbesondere an Parzellenrändern aufgehängt und regelmässig kontrolliert werden. Der Köder soll alle 14 Tage ersetzt werden. Gebrauchter Köder sollte bei der Fallenkontrolle nicht in die Obstanlage geschüttet werden. Die Männchen sind leicht an schwarzem Flügelfleck zu erkennen. In der Regel kann von einem Geschlechterverhältnis von etwa 1:1 ausgegangen werden.

1.2 Monitoring des Fruchtbefalls

Um Fruchtbefall mit Maden festzustellen, können Proben mit 100 Früchten kontrolliert werden. Bei glattschaligen Früchten (Trauben, Heidelbeeren, Kirschen) sind die Eiablagestellen mit einer Lupe erkennbar. Himbeeren oder Erdbeeren können einige Stunden eingefroren werden. Die Larven verlassen die Früchte und können gezählt werden.

Eine weitere, einfache Nachweismethode für Drosophila-Larven besteht darin, intakt erscheinende Früchte 24 Stunden bei Zimmertemperatur aufzubewahren und anschliessend in einen durchsichtigen Behälter (zum Beispiel Becher) zu tauchen, welcher mit Hahnenwasser und einem oder zwei Tropfen Flüssigseife oder Geschirrspülmittel gefüllt ist. Nach zehn bis fünfzehn Minuten können die Larven auf dem Boden des Behälters gezählt werden. Eine sichere Bestimmung der Drosophila-Art ist nur über die Ausbrütung möglich. Dabei werden intakte Beeren bei Zimmertemperatur in einem Gefäss mit luftdurchlässigem Verschluss (Gaze, Kleenex etc.) für 14 Tage stehen gelassen. Der Anteil an Drosophila suzukii lässt sich anhand der gut an den dunklen Flügelpunkten erkennbaren Männchen bestimmen.

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2. Vorbeugung

Je nach Kultur sind verschiedene Massnahmen zur Regulierung nötig. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick, welche Massnahmen in welcher Kultur zielführend sind. Im Text werden die Massnahmen dann genauer beschrieben. Alle mit +++ gekennzeichneten Massnahmen sind essentiell wichtig und sollten zur Vorbeugung unbedingt kombiniert angewendet werden. Eine Zusammenfassung dieser Tabelle steht zur Verfügung als Infoblatt.

Massnahme Beeren Kir- schen Zwetsch- gen Reben Verarbeitungs- obst Bemerkungen
Kultur-
führung: trockenes Bestandes-
klima
+++ +++ +++ +++ ++ Bei dauerhaften Niederschlägen sind die Massnahmen wirkungslos.
Frühe Ernte, Enge Ernte-
intervalle,  Hygiene
+++ ++ + + ++ Je nach Kultur & Reife nicht möglich; Reben: frühzeitig ausdünnen, keinen Trester ausbringen.
Netzab-
deckung
++ +++ ++ - + Rebflächen meist zu gross. Öffnen & Schliessen bei häufigen Erntedurchgängen im Beerenobst ist problematisch.
Massen-
fang
+++ + ++ ++ - Vollreife Kirschen sind attraktiver als Köder, daher Massenfang ab Reifebeginn in Kirschen ungeeignet. Rebflächen sind meist zu gross für Massenfang
Kühlung des Erntegutes ++ +++ +++ + +++ Nicht alle Beerenarten vertragen entsprechende kühle Temperaturen.
Einsatz von Kaolin - - - ++ + Spritzflecken/Rückstände: daher für alle Kulturen zum Frischverzehr ungeeignet.
Einsatz von Löschkalk ++ + + + + Im Rebbau eher Kaolin verwenden. Wirkung im Steinobst unsicher.
Insektizide + + + - + Nur als Notfallmassnahme. Im Rebbau bringt Kaolin bessere Resultate.

2.1 Kulturführung: Trockenes Bestandsklima

Die Kirschessigfliege reagiert sehr sensibel auf Trockenheit. Alle Massnahmen, die zu einem trockenen Bestandesklima führen, haben daher eine gewisse präventive Wirkung. Dazu gehören: Mit geeigneten Schnittmassnahmen für gut durchlüfteten, schnell abtrocknenden Bestand sorgen; Unterwuchs häufig mulchen bzw. schwarze Mulchfolie unter den Kulturen auslegen; Bewässerungsintensität anpassen. Im Rebbau sollte die Traubenzone gut entlaubt werden.

2.2 Abdeckung

Eine Abdeckung der Kulturen mit Netzen (Maschenweite 0.8 bis 1.2 Millimeter; Netze, wo sich Maschen nicht verformen, verwenden) verhindert die Einwanderung der Fliegen und ist momentan die sicherste Methode zur Befallsvorbeugung. Die Abdeckung sollte nach Ende der Blüte, vor Beginn des Farbumschlags der Früchte installiert sein. Nachteil dieser Methode ist jedoch, dass sie die Erntearbeiten erschwert. Im Kirschenanbau ist die Abdeckung die am besten wirksame Methode. Es wurde aber beobachtet, dass die Früchte auch durch das Netz hindurch angestochen werden. Die Bäume müssen entsprechend geschnitten werden, sodass die Äste nicht das Netz berühren.

2.3 Frühe Ernte

Durch eine frühzeitige, häufige und komplette Ernte kann der Befall reduziert werden. In Jahren mit hohem Befallsdruck ist es sinnvoll, alle Kirschen in einem Erntegang komplett abzuernten (und die unreifen Früchte zu entsorgen), da der zweite Erntedurchgang meist stark befallen wird und häufig nicht mehr vermarktbar ist. In Kirschenanlagen mit unterschiedlich abreifenden Sorten sollten die frühen Sorten komplett geerntet werden, damit keine überreifen Kirschen als Vermehrungsort in der Anlage verbleiben. Bei Heidelbeeren und Himbeeren sind häufige Erntedurchgänge empfehlenswert (Ernteintervalle von zwei Tagen).

2.4 Vernichtung befallener Früchte / Hygienemassnahmen

Befallene Früchte sollten aus der Anlage entfernt und vernichtet werden. Sicherste Methode der Vernichtung ist die Solarisation: Die befallenen Früchte werden 10 bis 15 Tage in einem dichten, durchsichtigen Plastiksack in die Sonne gelegt. Danach können die Früchte kompostiert werden. Alternativ dazu können befallene Früchte in die Güllegrube entsorgt, in einem dicht verschlossenem Gärfass einige Tage vergoren oder vergraben werden. In lehmigem Boden sind aber Tiefen von mehr als 50 Zentimeter nötig.

2.5 Nachfolgende Kulturen schützen

Auf Betrieben mit mehreren Kulturen können die Fliegen nach der Ernte von früher reifenden Kulturen auf später reifende Früchte wandern. Um solche Wanderbewegungen zu erschweren, sollten Fallen zum Massenfang am Rand der befallenen Kultur installiert werden.

2.6 Kühlung der Früchte und Verarbeitung

Um eine Entwicklung der Maden in den abgeernteten Früchten (und damit einen weiteren Verfall der Früchte) zu unterbinden, können die Früchte nach der Ernte für vier Tage bei 2° C gelagert werden. Dadurch werden Eier und Maden abgetötet. Die Fristen zwischen Ernte und Vermarktung sollten auch bei ununterbrochener Kühlkette möglichst kurz gehalten werden. Brennsteinobst sollte nach dem Ernten sofort eingemaischt werden. Eventuell ist eine Ansäuerung nötig, damit die Gärung möglichst rasch einsetzt.

2.7 Massnahmen im Rebbau

Die Anfälligkeit im Rebbau hängt massgeblich von der Sorte (siehe Tabelle weiter unten) und der Witterung ab. Insbesondere dunkle, dünnschalige Rebsorten mit kompakter Traubenstruktur werden stark befallen. Da die Reben die am spätesten reifenden Kulturen sind, ist jedoch bei allen Sorten mit einem Zuflug zu rechnen. Daher sollten vorbeugende Massnahmen ergriffen werden:

  • Die Ertragsregulierung vor der Ernte frühzeitig (nicht zu nah an der Weinlese) durchführen.
  • Die am Boden liegenden Trauben rasch mulchen.
  • In noch nicht vollständig abgeerntete Weinberge keinen Trester ausbringen.
  • Wespenfalleninhalt nicht im Weinberg ausleeren.
  • Für trockenes Bestandesklima sorgen (Unterwuchs mulchen, Traubenzone gut entlauben).
  • In gefährdeten Lagen: Kaolin-Einsatz ins Auge fassen (siehe unten, «3.2 Kalk und Kaolin»)

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3. Bekämpfung

3.1 Massenfang

Zum Massenfang geeignet sind kommerzielle, wie auch selbst gebaute Fallentypen. Zum selber bauen eignen sich Dosen oder Flaschen aus Plastik – am besten in rot oder schwarz - mit dicht schliessendem Deckel. Im oberen Bereich werden mit einem heissen Nagel oder Lötkolben Löcher von zirka 5 Millimeter Durchmesser hineingebrannt. Um das Entleeren der Fallen zu erleichtern, sollte eine Flaschenseite ohne Löcher bleiben.

Kommerziell erhältlich sind derzeit verschiedene Fallentypen: DrosoTrap (Biobest/Andermatt Biocontrol), Gasser-Becherfalle (Riga) und die Profatec-Falle (Profatec). Alle Fallentypen haben Vor- und Nachteile (Angaben Stand 2016):

  DrosoTrap Becherfalle Profatec
Erhältlich bei www.biocontrol.ch www.becherfalle.ch www.profatec.ch
Vorteile

- Mehrfach benutzbar

- Rote Farbe ist attraktiv für D. suzukii

- Schnelles, praktisches Wechseln

- Günstiger Preis

- Mehrfach benutzbar
- Einfaches Handling
- Günstiger Preis
- Rote Farbe ist attraktiv für D. suzukii
Nachteile - Grosse, schwere Falle
- Hoher Preis
- Schwieriges Handling
- Nur einmal verwendbar
- Viel Abfall
- Köder muss selber gemischt werden
Preis Fr. 6.00 pro Stück (einmalige Kosten; ab einer Menge von 150 Fallen)
+ Kosten für Köder (ca. Fr. 1.20 pro Falle, alle 14 Tage)
Fr. 2.00 für Halterungsdraht und Regendach (einmalige Kosten) + Fr.0.85 für Falle mit Köder (alle 14 Tage) Fr. 0.90 pro Stück (einmalige Kosten; ab einer Menge von 400 Fallen)
+ Kosten für Köder (ca. Fr. 0.20 pro Falle, alle 14 Tage)

Verschiedene Köder sind kommerziell erhältlich: Der Becherfallen-Köder, der bereits in den Einweg-Fallen enthalten ist und Dros’attract, der zu den DrosoTrap-Fallen verkauft wird. Es können auch Ködermischungen selbst hergestellt werden:

  • 50 % Wasser
  • 40 % Apfelessig
  • 10 % Rotwein
  • 0.05 % Aceton (optional, falls vorhanden)
  • 2 Tropfen Seife oder Spülmittel (geruchsneutral)

In Laborversuchen waren die beiden kommerziellen und der selbst gemischte Köder vergleichbar effektiv.

Ab Beginn des Farbumschlags der Früchte sollte alle zwei bis fünf Meter eine Falle montiert werden. Zu Beginn des Farbumschlags der Früchte sollten die Fallen zuerst an den Parzellenrändern aufgehängt werden, um ein Einwandern der Fliegen in die Kultur zu verzögern. Sobald die Fliegen auch das Zentrum der Parzelle besiedelt haben, sollten die Fallen in einem Fünfmeterraster über die ganze Anlage verteilt aufgehängt werden.

3.2 Kalk und Kaolin

Aus verschiedenen Quellen ist bekannt, dass Spritzapplikationen von stäubenden Substanzen wie Kalkprodukten oder Kaolin den Befall senken können.

Kaolin hat im Rebbau eine sehr gute Wirkung gezeigt und ist daher ab 2017 für den Einsatz gegen die Kirschessigfliege im Rebbau regulär zugelassen (siehe unter Insektizide). Kaolin verursacht jedoch starke weisse, gut sichtbare Flecken auf den Früchten. Bei Rebparzellen in Siedlungsnähe und an Wanderwegen ist es sinnvoll Informationstafeln aufzustellen, da die weissen Rebberge im Herbst sonst zahlreiche Fragen nach sich ziehen. Beim Kaolin-Einsatz sollte ausschliesslich das Produkt Surround (Firma Stähler) verwendet werden, da dieses Kaolin besonders rein und gut spritzbar ist. Kaolin-Rückstände hatten in Versuchen keinerlei Einfluss auf die Vinifikation und sind auch gesundheitlich unbedenklich. Da Kaolin keinen Einfluss auf den pH-Wert hat, ist es für den Rebbau eher besser geeignet als Kalkprodukte.

Detaillierte Informationen zum Einsatz von Kaolin im Rebbau sind zusammengefasst im
Merkblatt «Mit Kaolin gegen die Kirschessigfliege im Weinbau» (FiBL-Shop)

Im Steinobst (Brennkirschen) zeigen die Versuchsresultate zu Kaolin ebenfalls gute Resultate. Kaolin ist für 2020 im Steinobst (Brennobst) nur per Sonderbewilligung zugelassen.

Auch Löschkalk (Produkt Nekargard 2, Kalkfabrik Netstal AG) ist für 2020 per Sonderbewilligung für den Einsatz in Beeren, Steinobst und Reben zugelassen. Um eine gute Wirkung zu erzielen, und um Spritzflecken auf den Früchten zu minimieren, sind beim Einsatz von Löschkalk einige Massnahmen zu beachten, die im Merkblatt von Agroscope zusammengefasst sind.

Merkblatt «Bekämpfung von D. suzukii mit Löschkalk»

3.3 Einsatz von Insektiziden

In den vergangenen Jahren hat das BLW Sonderbewilligungen für den Einsatz von diversen Insektiziden zur Regulierung von Drosophila suzukii in Beeren-, Steinobst- und Rebkulturen erlassen, so auch 2020.  Diese Anwendungen wurden in die Korrigenda der Betriebsmittelliste übernommen. 

Korrigenda Betriebsmittelliste (Webseite FiBL)

Seit 2016 gibt es für Beerenobst und Reben eine reguläre Bewilligung von Spinosad. Die Zulassung von Spinosad in Reben wurde nicht in die Betriebsmittelliste übernommen, da Kaolin im Rebbau besser wirksam und umweltverträglicher ist als Spinosad.

Für den Einsatz gemäss Sonderbewilligung gelten zahlreiche Auflagen des BLW, welche zwingend eingehalten werden müssen:
Zugelassene Pflanzenschutzmittel (Webseite BLW)

Besonders wichtig sind die folgenden Punkte:

  1. Im Steinobst ist der Einsatz nur bei nachgewiesenem Auftreten durch Drosophila suzukii erlaubt. In den Reben nur bei nachgewiesener Eiablage in den Beeren ab Stadium BBCH 83.
  2. Das BLW schreibt den Wechsel verschiedener Wirkstoffe zwecks Resistenzvermeidung vor.
  3. Da die Insektizide kurz vor der Ernte angewendet werden, kommt der Rückstandsproblematik grosse Bedeutung zu. Die Produzenten haben Sorge zu tragen, dass die Rückstandshöchstmengen von Spinosad nicht überschritten werden (Wartefristen und Aufwandmengen strikt einhalten; siehe untenstehende Tabelle).
  4. Das BLW hält fest, dass nur sehr wenige Daten zur Wirksamkeit verfügbar sind und daher keine entsprechende Wirkungsgarantie abgegeben werden kann. Aus letztjährigen Versuchen in Italien ist bekannt, dass Insektizidbehandlungen bei Kirschen unter Abdeckung eine Teilwirkung hatten, bei unabgedeckten Kirschen, sowie im Beerenobst war selbst bei sehr intensivem Spritzplan kein Effekt sichtbar (Befall = 100%).
  5. Spinosad ist bienentoxisch und darf nicht auf Kulturen mit Nektar absondernden Blüten oder beschädigten Früchten mit Fruchtsaftaustritt eingesetzt werden.
  6. Behandlungsbeginn für Insektizide (Spinosad) in Steinobst und Reben ab Stadium 83 BBCH, im Beerenobst ab Stadium 85 BBCH. Kaolin und Löschkalk dürfen etwas früher eingesetzt werden: Behandlungsbeginn im Steinobst ab Stadium 81 BBCH in Reben ab Stadium 83 BBCH, Löschkalk in Beeren ab Stadium 83.
  7. Für Brombeeren bezieht sich die angegebene Aufwandmenge auf Stadium «Erste Blüten bis etwa 50% der Blüten offen» sowie eine Referenzbrühmenge von 1000 l/ha.
  8. Nicht auf Früchten einsetzen, die aufgrund von Beschädigungen Fruchtsaft absondern.
  9. Bei Erdbeeren: Maximal 2 Behandlungen pro Kultur und Jahr. Remontierende Erdbeeren: Behandlungsintervall von 21 Tagen.
Produkt (2020) Aufwandmenge (Konzentration) Wartefrist (Tage) Anzahl Applikationen pro Parzelle und Jahr
Spinosad (Audienz, Spintor, weitere) Beeren: 0.02%1
Steinobst: 0.02%2
Beeren: 3 
Stadium 85-89
BBCH
Steinobst: 7
Stadium 
83-87 
Brombeeren, Erdbeeren, Steinobst:
maximal 2
Kaolin
(Surround)
Reben: 2%1
Brennsteinobst: 2%2
Keine Wartefrist.
Reben und Steinobst: ab Stadium 81 BBCH
-
Löschkalk (Nekagard 2) Beeren: 0.18-0.2%2
Steinobst: 0.18-0.2%2
Brennsteinobst: 0.2-0.5%2
Reben: 0.17-0.42%2
Beeren: 2
Reben: 7
-

1 reguläre Zulassung
2 Notfallzulassung

Der Einsatz von Insektiziden wird als alleinige Massnahme zur Regulierung dieses Schädlings nicht ausreichen. Probleme beim Insektizideinsatz ergeben sich, da die Eiablage der Fliegen erst kurz vor der Ernte stattfindet und damit einer andauernden Neueinwanderung von Fliegen in die Obstanlagen zu rechnen ist. Aufgrund der langen Erntedauer bei den meisten Beerenobstarten sind Behandlungen während der Ernte nötig, was sehr wahrscheinlich zu Rückstanden im Erntegut führt.

Daher müssen alle vorbeugenden Massnahmen voll ausgeschöpft werden. Im Kirschenabau ist eine Netzabdeckung wirksamer und nachhaltiger als ein Insektizideinsatz. Im Rebbau sind Behandlungen mit Kaolin (Surround) zielführender als Insektizid-Spritzungen. Und im Beerenabnau sind Feldhygiene kombiniert mit einer angepassten Kulturführung und einen allfälligen Massenfang unabdingbar. Erst wenn es trotz dieser Massnahmen zu einer Massenvermehrung kommt, sollte ein Insektizideinsatz ins Auge gefasst werden.

3.4 Kombination von Insektiziden mit Ködern

Die kombinierte Anwendung von Insektiziden mit Frassködern (Combi-Protec-Verfahren) wird kontrovers diskutiert. Einerseits kann die Reduktion der Aufwandmenge des Insektizids Rückstände im Erntegut reduzieren. Ob die Reduktion der Aufwandmenge auch die negativen Nebenwirkungen auf Nützlinge und Bienen reduziert, ist nicht ganz sicher, da der Frassköder möglicherweise auch von anderen Insektenarten gern gefressen wird. Zudem besteht die Gefahr, dass die Resistenzentwicklung von Drosophila durch zu geringe Aufwandmengen beschleunigt wird. Es liegen bisher keine aussagekräftigen Daten zur Wirksamkeit des Köderverfahrens vor. Beim derzeitigen Wissensstand kann das Köderverfahren nicht empfohlen werden.

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4. Erkennung

Im Gegensatz zu den in Europa heimischen Essigfliegen (hauptsächlich Drosophila melanogaster), die ihre Eier nur in überreife, faulende Früchte ablegen können, verfügen die Weibchen der Kirschessigfliege über einen kräftigen Legebohrer, mit dem sie auch gesunde Früchte am Baum oder Strauch anstechen und mit Eiern belegen können. Der kräftige Eiablagestachel sowie der dunkle Fleck auf dem Flügel der Männchen sind die Hauptunterscheidungskriterien zwischen Drosophila melanogaster und Drosophila suzukii.

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5. Biologie

Die Kirschessigfliege überwintert als erwachsenes, befruchtetes Weibchen in geschützten Verstecken unter Blättern oder Steinen. Obwohl sie bei Frosttemperaturen recht schnell abgetötet wird, ist davon auszugehen, dass sie genügend frostfreie Stellen für die Überwinterung findet. Sobald die Temperaturen über 10° C steigen, sind die Fliegen aktiv. Für die Eiablage werden reifende Früchte bevorzugt. Die Fliegen wandern daher meist erst bei Farbumschlag der Früchte in die Kulturen ein.

Ein Weibchen kann 300 bis 600 Eier legen, je nach Befallsdruck können ein bis mehrere Eier pro Frucht abgelegt werden. Bei Kirschen kommt es durch die Eiablage zu Vernarbungen auf der Frucht. Zudem schafft die Verletzung der Fruchthaut Eintrittspforten für Krankheiten. Aus den Eiern schlüpfen nach ein bis drei Tagen weissliche kleine Maden, die sich während fünf bis sieben Tagen vom Fruchtfleisch ernähren und drei Larvenstadien durchlaufen. Durch den Larvenfrass wird der Hauptschaden verursacht: Die Früchte fallen zusammen und werden matschig. Die Larven verpuppen sich an oder auf der geschädigten Frucht, seltener auch im Bodenstreu. Nach einer Puppenruhe von vier bis 15 Tagen schlüpft die neue Generation.

Die optimale Temperatur für die Vermehrung der Fliegen liegt zwischen 20 und 25° C. Unter diesen Bedingungen ist ein Generationszyklus innerhalb von zehn Tagen abgeschlossen, sodass pro Jahr bis zu 15 Generationen möglich sind. Da die erwachsenen Fliegen bis zu zwei Monate leben können, treten mehrere Generationen parallel auf. Entsprechend wird im Spätsommer und Herbst ein enormer Befallsdruck aufgebaut.
 

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6. Verbreitung in Europa

Die Kirschessigfliege gehört zur Familie der Obst- oder Essigfliegen (Drosophilidae). Sie stammt ursprünglich aus Südostasien und wurde im Herbst 2008 zum ersten Mal in Europa (Spanien) nachgewiesen. 2009 wurde sie in Norditalien (Trentino) gesichtet, wo sie im Jahr 2010 bereits 30 bis 40 Prozent Ertragsverlust verursachte. 2010 war sie neben Italien und Spanien auch in Südfrankreich, Slowenien und Kroatien nachweisbar. 2011 verursachte die Kirschessigfliege Totalausfälle an Beerenobst in Italien und an Kirschen in Spanien und Südfrankreich. Ende 2011 liess sich die Fliege bis nach Nordfrankreich sowie in der Schweiz und in Deutschland nachweisen. Sie besiedelt dabei häufig auch höher gelegene Regionen bis 1550 Meter über Meer. In Nordamerika wurde die Kirschessigfliege ebenfalls 2008 eingeschleppt und hat sich ähnlich dramatisch verbreitet.
 

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7. Wirtspflanzen

Die Kirschessigfliege kann die meisten Weichobstarten sowie eine Vielzahl wilder Früchte befallen. Kirschen und Holunder scheinen dabei bevorzugte Wirtspflanzen zu sein. Bei geschädigter Fruchtschale können auch Äpfel, Birnen und Tomaten befallen werden. In der nachfolgenden Tabelle ist das Schadpotential an den wichtigsten Kulturpflanzen zusammengefasst.

7.1 Schadpotential von Drosophila suzukii an verschiedenenen Kulturen

+          bisher keine Befallsmeldungen
++       wenig anfällig
+++    anfällig
++++ stark anfällig

Kultur / Pflanze Anfälligkeit Bemerkung
Erdbeere - Freiland +  
Erdbeere - remontierend ++ bis ++++  
Süsskirsche ++++  
Sauerkirsche ++++  
Zwetschge ++ bis ++++ sortenabhängig
Pfirsich ++ sortenabhängig
Mirabelle ++ sortenabhängig
Aprikose ++ bis +++ sortenabhängig
Sommerhimbeere +++  
Herbsthimbeere ++++  
Brombeere ++++  
Johannisbeere (rot, weiss) ++ bis +++  
Johannisbeere (schwarz) ++ bis +++  
Stachelbeere +  
Minikiwi +++ bis ++++  
Tafeltrauben/Weintrauben ++ bis ++++ sortenabhängig, siehe folgende Tabelle
Lotuspflaume (Diospyros lotus) +  
Kaki +  
Cranberries +  
Aronia ++ bis ++++  
Maibeere (Lonicera kamtschatika) ++  
Feige ++ bis +++  
Indianerbanane (Asmina triloba) ++++  

Reben werden witterungsbedingt und sortenabhängig befallen, sind aber im Vergleich zu anderen, viel anfälligeren Kulturen keine bevorzugte Wirtspflanze. Die folgende Zusammenstellung soll einen groben Überblick liefern. Zum Teil liegen zu den verschiedenen Sorten sehr unterschiedliche Befalls- bzw. Anfälligkeitsmeldungen vor. Generell kann man sagen, anfällig sind früh reifende, dunkle Sorten mit dünner Haut und kompakter Traubenstruktur an schattigen, feuchten Lagen in der Nähe zu Waldrändern, Hecken und Steinobst.

Rebsorte (rot) Anfälligkeit Bemerkung
Mara ++++  
Regent ++++  
Garanoir ++++  
Dornfelder ++++  
Acolon ++++  
Dunkelfelder ++++  
Dakapo ++++  
Cabernet Dorsa ++++  
Muscat bleu ++++  
Gamay +++ bis ++++  
Cabernet Jura ++ bis ++++ abhängig von Klon
Marechal Foch +++  
Malbec +++  
Gamaret + bis +++  
Pinot Noir ++ bis +++  
Syrah ++  
Diolinoir ++  
Merlot ++  
Galotta ++  
Humagne ++  
Carminoir +  
Ancelotta +  
Mondeuse +  
Rebsorte (weiss) Anfälligkeit Bemerkung
Chasselas violet +++  
Muscat +++  
Gewürztraminer ++  
Pinot gris ++  
Riesling Sylvaner ++  
Doral ++  
Charmont ++  
Sauvignon blanc ++  
Pinot blanc ++  
Chardonnay ++  
Viognier +  
Chenin +  
Sylvaner +  
Sauvignon gris +  
Auxerrois +  
Altesse +  
Solaris +  
Paien +  

 

Neben Kulturpflanzen werden zahlreiche Wildobstarten und Ziergehölze befallen. Besonders Wildpflanzen, die eine gute Larvenentwicklung ermöglichen, bilden dabei eine Quelle für hohe Drosophila-Populationen.

7.2 Eignung von verschiedenen Wildobstarten und Zierpflanzen für die Larvenentwicklung der Kirschessigfliege

+             keine Larvenentwicklung möglich
++          kaum Larvenentwicklung möglich
+++       Larvenentwicklung möglich
++++    gute Larvenentwicklung
+++++ sehr gute Larvenentwicklung

Pflanze Larvenentwicklung
Weissdorn (Crataegus sp.) +
Hagebutte (Rosa sp.) +
Vogelbeere (Sorbus aucuparia) +
Stechpalme (Ilex aquifolium) +
Wilder Wein (Parthenocissus quinquefolia) +
Gewöhnliche Berberitze (Berberis vulgaris) +
Liebesperlenstrauch (Callicarpa bodinieri) +
Pfaffenhütchen (Euonymus europaeus) +
Liguster (Ligustrum sp.) +
Feuerdorn (Pyracantha coccinea) +
Purpurbeere (Symphoricarpus chenaulti) +
Wolliger Schneeball (Viburnum lanata) +
Gemeiner Schneeball (Viburnum opulus) +
Zierapfel (Malus sp.) +
Rotfrüchtige Zaunrübe (Brionia diocia) +
Maiglöckchen (Convalaria majalis) +
Einbeere (Paris quadrifolia) +
Scheinerdbeere (Potentilla indica) +
Gemeiner Efeu (Hedera helix) + bis ++
Kirschpflaume (Prunus cerasifera) + bis ++
Aronia (Aronia melanocarpa) ++
Vogelkirsche (Prunus avium) ++
Schlehe (Prunus spinosa) ++
Felsenmispel (Cortoneaster sp.) ++
Kirschlorbeer (Prunus laurocerasusu) ++
Schwarzer Nachtschatten (Solanum nigrum ++
Gewöhnliche Schneebeere (Symphoricarpus albus) +++
Mistel (Viscum album) +++
Sanddorn (Hippophae rhamnoides) +++ bis ++++
Kornelkirsche (Cornus mas) ++++
Maigrün (Lonicera nitida) ++++
Roter Hartriegel (Cornus sanguineum) ++++
Späte Traubenkirsche (Prunus serotina) +++++
Brombeeren (Rubus fructicosus) +++++
Himbeeren (Rubus ideaus) +++++
Ackerkratzbeere (Rubus caesius) +++++
Roter Holunder (Sambucus racemosa) +++++
Schwarzer Holunder (Sambucus nigra) +++++
Gewöhnliche Mahonie (Mahonia aquifolium) +++++
Gemeine Eibe (Taxus baccata) +++++
Kermesbeere (Phytolaca americana) +++++

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8. Forschung

Da viele Forschungsgruppen mit Drosophila-Arten als Modellorganismus arbeiten, ist bereits sehr viel Grundlagenwissen zu Drosophila im Allgemeinen vorhanden. In den meisten europäischen Ländern und auch in Amerika sind Forschungsprogramme zur Regulierung von Drosophila suzukii angelaufen. Im Fokus stehen dabei:

  • die Überwachung und Prognose inklusive Schadschwellen
  • das Ausbreitungsvermögen der Fliegen und der Einfluss der Landschaft
  • das Wirtswahlverhalten der Fliege und die Möglichkeit von Fangpflanzen um die Kulturen
  • die Überwinterung und Kältetoleranz der Fliegen
  • die Gegenspieler der Fliegen wie Krankheitserreger oder Parasitoide
  • Duftstoffe wie Pheromone, Repellentien sowie Lockstoffe
  • die Möglichkeit des Massenfangs (Fallentypen, Fallenposition)
  • die Klärung von offenen Fragen der Insektizidanwendung wie Wirkstoffwahl, Anwendungszeitpunkt, Wartefrist und Rückstände
  • die Wirksamkeit von Netzen als Ausschlussverfahren
  • der Einfluss anbautechnischer Massnahmen (Bewässerung, Schnitt, etc.) auf die Populationsdynamik in den Anlagen
  • die Möglichkeit von Nacherntebehandlungen (Kühllagerung) zur Abtötung von Eiern und Larven

Es ist daher mit einer schnellen Zunahme an Wissen zu rechnen, sodass die Empfehlungen für den Schutz der Kulturen laufend dem aktuellen Stand der Erkenntnisse angepasst werden. Folgende Seiten können empfohlen werden:

9. Weiterführende Informationen

Drosophila suzukii (Webseite Agroscope)
Merkblatt Drosophila (Webseite Organic Eprints)

 

Claudia Daniel, FiBL

 

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 18.04.2020

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