Der erste Teil des Buches zeichnet die Jahre von der Gründung der AVG bis Ende der 1990er Jahre sowie die Entstehung des organisch-biologischen Landbaus nach. Jungbauern wie Gottfried Etter, Hans Hurni, Hans Müller setzten sich für eine eigene Absatzorganisation ein und sollten prägend für die Geschichte des organisch-biologischen Landbaus werden. Persönliche Anekdoten, wie zum Beispiel, dass Hans Hurni bis zum Kauf eines Autos 1958 Betriebe und Sammelstellen mit Velo und Bahn besuchte, machen die Pionierzeit buchstäblich erfahrbar.
Organisch, natürlich, dynamisch
Zeitgleich mit der «organisch-biologischen» entwickelten sich zwei weitere Bioanbaurichtungen: die der Lebensreformbewegung entwachsene «natürlich-biologische» sowie die aus der Anthroposophie entstandene «biologisch-dynamische». Spannend zeigt das Buch anhand von Kontroversen mit den Behörden, wie um den Begriff «Bio» gerungen wurde.
Von der Genossenschaft zur Aktiengesellschaft
Der zweite Teil des Buches fokussiert auf die Organisationsentwicklung im volatilen Gemüsemarkt in der Zeit nach 1997. Nach einer finanziellen Krise entstand aus der Genossenschaft AVG eine auf den Handel mit Biogemüse spezialisierte Aktiengesellschaft, die ab 2016 Terraviva hiess. Interessant ist die detaillierte Darstellung des Marktes im Wandel: Ganzjahresverfügbarkeit, zunehmende Importkonkurrenz und der wachsende Anspruch an Frische. Allerdings droht sich der*die Leser*in zuweilen in den organisatorischen Irrungen und Wirrungen zu verlieren.
Chronik prägender Männer
Peter Moser betont zwar zu Beginn, wie wichtig Frauen in der Entstehungsgeschichte des Biolandbaus und dessen Organisationen waren und erwähnt beispielsweise Maria Müller-Bigler oder Marianne Mühlemann. Den wenigen historischen Zeugnissen geschuldet, fokussiert sich das Buch jedoch stark auf die prägenden und schriftlich gut dokumentierten männlichen Figuren. Auch über die Beschäftigten lässt sich nur Anekdotisches erfahren, beispielsweise, dass sich deren Arbeitsbeginn durch das neue Frischekonzept von Coop anfangs der 2000er von 6:30 auf 4 Uhr verschob. Hier lohnt sich ein Blick auf die Fotografien aus dem Terraviva-Archiv, auf denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sehen sind.
Eine Geschichte enger Verstrickungen
Das Buch bietet eine fundierte und facettenreiche Reise durch 80 Jahre Vermarktungsgeschichte und die Entstehung des Schweizer Biogemüsebaus. Spannend sind die zahlreichen Verbindungen, die heute oft vergessen gehen: etwa wie die Anfänge von Terraviva mit Biotta oder Bio Familia zusammenhingen oder wie es zur Abwesenheit der Organisation bei der Gründung von Bio Suisse und FiBL kam. Dadurch wird spürbar, wie eng Geschichte, Ideen und Personen verzahnt sind und wie viel des heutigen Marktes auf früheren Entscheidungen beruht.
Wie die Historie das Heute prägt
Wer sich für die Geschichte des Biolandbaus, für Genossenschaften oder für die Entwicklung des Biomarktes interessiert, findet hier eine reichhaltige, aufwändig recherchierte und mit persönlichen Einblicken gespickte Darstellung. Wenn auch nicht ganz leichte Kost, macht das Buch eindrücklich erfahrbar, woher die heutigen Player kommen und warum die Strukturen im Biogemüsebau sind, wie sie sind.
Corinne Obrist, FiBL
Weiterführende Informationen
Das Buch «Biologisch produzieren, gemeinsam vermarkten. Terraviva und die Genese des organisch-biologischen Gemüsebaus 1946-2025» kann direkt beim Archiv für Agrargeschichte bestellt werden und kostet für Leser*innen von bioaktuell.ch 30 Franken inkl. Porto und Verpackung. Bestellungen an info(at)agrararchiv.ch oder die Postadresse: AfA, Villettemattstrasse 9, 3007 Bern mit dem Hinweis «bioaktuell.ch».
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