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«Nur ein gesunder Betrieb ist wirtschaftlich»

Meldung  | 

Ein Jahr lang regelmässig innehalten und das Wesen des eigenen Betriebs bewusster wahrnehmen: Das ist die Idee hinter dem Hofjournal. In einem vom FiBL begleiteten Projekt haben biodynamische Landwirt*innen wöchentlich Inspirationen, Beobachtungen, Gedanken und Handlungen in einem Tagebuch festgehalten. Bioaktuell.ch hat mit Rahel Joss, Betriebsleiterin auf dem Gysihof in Gysenstein/BE gesprochen, die ein solches Hofjournal geführt hat.

Rahel Joss hat den Gysihof 2018 von ihren Eltern übernommen. Foto: zvg

Mittlerweile ist das Jahr vorbei und die Projektgruppe des FiBL und der Biodynamischen Ausbildung Schweiz hat die Journale beim gemeinsamen Abschluss-Workshop eingesammelt. Die Auswertung soll klären, ob das Führen eines Hofjournals eine geeignete Methode ist, um sich dem Wesen eines Betriebes anzunähern. Rahel Joss blickt auf ein vielseitiges Journaljahr zurück – zwischen wirtschaftlichem Druck, dem Anspruch an Wohl von Mensch und Tier und der Suche nach mehr Ruhe im Betriebsalltag.

Was hat dich motiviert, beim Projekt mitzumachen?

Rahel Joss: Das Hofjournal war etwas Neues, das ich so noch nicht kannte. Ich besuche oft Weiterbildungen, bei denen man viel Fachliches lernt. Hier ging es um Themen, die man zwar im Alltag spürt, aber selten bewusst bespricht. Ausserdem bin ich Fan von Arbeitskreisen und lerne viel von Kolleg*innen. Die Vielfalt der Betriebe und der Menschen hat mich interessiert.

Wie hat sich das Schreiben in deinen Alltag eingefügt?

Ich habe versucht, wöchentlich dranzubleiben. Gerade heute, wo alles digital ist, hat mir das Büchlein als etwas Handfestes sehr gefallen. Oft habe ich ein Thema bearbeitet und die nächsten quergelesen, damit ich mir Gedanken machen konnte.

Fiel dir das Schreiben leicht?

Tierthemen fielen mir sehr leicht, da hätte ich gut noch mehr schreiben können. Andere Übungen waren schwieriger, weil mir der Zugang fehlt. Beispielsweise künstlerische Aufgaben, wie Formen zeichnen, die auf dem Betrieb vorkommen. Ich habe auch kein Hoffest veranstaltet, weil sich das nicht stimmig anfühlte. Ich verbringe lieber einzeln Zeit mit Freunden.

Hat das Journal deine Beziehung zum Betrieb verändert?

Ja, mir wurde bewusst, wie wichtig es ist, sich nicht zu übernehmen. Ich lebe vollumfänglich von der Landwirtschaft und habe viel Geld in Stallbau und Tierwohl investiert. Der wirtschaftliche Druck ist real, aber gleichzeitig müssen Mensch und Tier gesund bleiben. Das Journal hat mir geholfen, diese Balance wahrzunehmen und dabei Herzensthemen Platz zu lassen.

Gab es einen Eintrag, der dir besonders geblieben ist?

Als Geschenk an den Betrieb habe ich die Geschichte einer Kuh aufgeschrieben, die wir letzten Winter verloren haben. Wir brachten sie ins Tierspital, um das Kalb herauszuholen. Das Finanzielle war nebensächlich, denn die Tiere geben alles und ich möchte ihnen zurückgeben, was ich kann. Das Kalb war gesund und kräftig.

Hat das Journal konkrete Entscheidungen beeinflusst?

Das Journal hat mich angeregt, den Eingangsbereich unseres Hofes schön zu gestalten. Als es darum ging, was mit unserem geteerten Hausplatz geschehen sollte, habe ich mich entschieden den Asphalt zu entfernen und trockenliebende Pflanzen angesät.

Wie würdest du heute das Wesen deines Hofes beschreiben?

Die letzten Jahre waren eine Zeit des Wandels: die Hofübernahme, die Umstellung auf Bio und Demeter, der Stallbau, der Wechsel auf saisonale Abkalbung und Vollweide. Jetzt geht es darum, dass sich das Grundgerüst einpendelt und wirken kann. Der Hof soll Ruhe finden und durchatmen können.

Gab es Austausch mit den anderen Teilnehmenden?

Wir haben uns zu Beginn und jetzt zum Abschluss vor Ort getroffen und sonst einige Male online ausgetauscht. Für mich ist der virtuelle einfach nicht mit dem persönlichen Austausch vergleichbar, ich hätte regionale Treffen auf den Betrieben vorgezogen.

Wie war es, das Journal abzugeben?

Schon sehr speziell, ein bisschen wie in der Schule. Aber es war super gestaltet, wir konnten die Hefte in eine Truhe legen und den Prozess richtig zelebrieren. Denn es war auch ein Loslassen, weil sehr Persönliches darinsteht. Gleichzeitig war ich froh, dass diese wöchentliche Aufgabe wegfällt. Jetzt bin ich gespannt, wie die Hefte vom FiBL und der Biodynamischen Ausbildung ausgewertet werden, das wird eine riesige Herausforderung.

Was nimmst du aus dem Jahr mit?

Die Wirtschaftlichkeit ist auch massgeblich von der Gesundheit und dem Wohlbefinden von Mensch und Tier abhängig. Nur ein gesunder Betrieb ist auch wirtschaftlich. Und man darf Dinge tun, die gerade wichtig sind, ohne sich rechtfertigen zu müssen.

Wirst du weiter schreiben?

Das Schreiben war eine gute Methode, aber wöchentlich bestimmt nicht. Ich möchte auf dem Hof vor allem Räume schaffen, Rückzugsorte um Kraft zu tanken, auch für mich persönlich.

Der Gysihof und seine Betriebsleiterin
Rahel Joss hat den Gysihof 2018 übernommen und führt den Familienbetrieb nun in der elften Generation. Der Hof liegt in Gysenstein auf 740 Metern über Meer am Eingang zum Emmental und ist ein Demeter-zertifizierter Gemischtbetrieb mit 31 Hektaren landwirtschaftlicher Nutzfläche sowie 6 Hektaren Wald. Die Milch der rund 40 Kühe ist das wichtigste Standbein, ergänzt durch den Verkauf von Lebendtieren sowie etwas Direktvermarktung von Fleisch und Käse. Zweiter zentraler Betriebszweig sind die Tannenbäume.

Interview: Corinne Obrist, FiBL

Weiterführende Informationen

Hinweis: Dies ist eine tagesaktuelle Meldung. Sie wird nicht aktualisiert.

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