Aus dem Schaden der Berufskolleginnen lassen sich Fehler in der eigenen Betriebsführung minimieren oder vermeiden. Ein nicht entstandener Mangel schont das Nervenkostüm der Betriebsleitung und nimmt direkten Einfluss auf das buchhalterische Betriebsergebnis.
Endoparasitenschätzen feuchtwarme Witterung
Die feuchtwarme Witterung im Juni und Juli liessen die Futterpflanzen vielerorts wunschgemäss spriessen. Gleichzeitig schuf dieses Klima auch ideale Entwicklungsbedingungen für Endoparasiten und lästige, die Befindlichkeit der Tiere negativ beeinflussende Fluginsekten.
Für diese Schädlinge existieren zum Teil chemisch-allopathische Behandlungsmöglichkeiten. Deren Einsatz ist auf Biobetrieben aber reglementiert. Der prophylaktische Einsatz dieser Wirkstoffe ist kategorisch verboten. Dies betrifft vor allem den Bolus gegen Endoparasiten (Würmer), welcher nur auf Alpen und Gemeinschaftsweiden eingesetzt werden darf, deren Besitzer oder Bewirtschafterinnen dies zur Pflicht erklären.
Auf der Kontrolle muss eine entsprechende und verpflichtende Anordnung vorliegen. Ansonsten darf nur entwurmt werden, wenn ein veterinärmedizinischer Bedarfsnachweis vorliegt. Die Behandlung muss zwingend im Journal dokumentiert werden. Die doppelte Wartefrist soll in diesem Dokument schriftlich fixiert und praktisch eingehalten werden. Für adäquate Strategien zur praktischen Parasitenbekämpfung existiert ein empfehlenswertes FIBL Merkblatt.
Der verräterische Applikationsstreifen auf den Tieren
Lästige Fluginsekten wie Bremsen oder Stechfliegen, welche das Vieh teilweise durch Zäune brechen und Melkaggregate auf den Boden schlagen lassen, dürfen in Eigenregie nur mit Mitteln bekämpft werden, welche in der Betriebsmittelliste figurieren. In Problemfällen dürfen nicht biokonforme, oftmals über den Rücken der Tiere gegossenen (pour on) Substanzen mit einem tierärztlichen Verschrieb und entsprechendem Eintrag im Behandlungsjournal eingesetzt werden.
Die Wartefristen dieser Mittel sind teilweise beträchtlich. Der ölige Applikationsstreifen auf dem Rücken der Weidetiere ist noch längere Zeit nach dessen Einsatz sichtbar. Diese Tatsache liefert die Begründung, warum es sich bei unrechtmässig eingesetzten «Fliegenmitteln» um einen Mangel handelt, welcher regelmässig auf den Kontrollgängen erkannt wird.
Viehsalz auf Disteln kann Zertifikatsentzug bedeuten
Der Einsatz jeglicher Substanz, welche eine herbizide Wirkung erzielt, ist auf einem Biobetrieb strikte untersagt. In der Vergangenheit verloren vereinzelt Betriebe ihre Biozertifizierung, weil sie in etwas alchemistischer Manier Stoffe einsetzten, um sich einer Begleitfloraplage zu entledigen. In einem Fall handelte es sich um eine Salzmischung, in einem anderen Fall um ein Gebräu auf der Grundlage von Öl.
Es ist deshalb immens wichtig zu wissen, dass für die Beikrautregulierung im Biolandbau kein zugelassenes Mittel existiert. Ein in ein Nest Ackerkratzdisteln gestreuter Eimer Viehsalz kann unter Umständen den Biozertifikatentzug des Betriebes auslösen. Die konformen Massnahmen, um die Ausbreitung von Problempflanzen einzudämmen oder zu verhindern, können abschliessend den Bio Suisse Richtlinien (Punkt 2.6., Link siehe unten) entnommen werden. Hierbei handelt es sich um einen Richtlinienabschnitt, dessen Tragweite ausdrücklich erwähnt werden muss.
Kaninchenhaltung: Kleine Ursache mit grosser Wirkung
In der Kaninchenhaltung müssen auf einem Biobetrieb die BTS-Vorschriften eingehalten werden. Diese Gattung stellt damit die grosse Ausnahme dar, weil für die anderen Tiere die Einhaltung der Raus-Vorschriften verpflichtend ist. Die BTS-Anforderungen können der Direktzahlungsverordnung entnommen werden.
Ohne Anspruch auf eine abschliessende Aufzählung, wird für Kaninchen u.a. eine erhöhte Fläche, ein separates Wurfnest, eine Minimalfläche von zwei Quadratmetern für abgesetzte Jungtiere sowie Gruppenhaltung mit Einschränkungen gefordert. Ein BTS-Mangel von zwei Kaninchen kann die gleiche Sanktionspunktezahl für die Bioanerkennung auslösen wie ein grober Raus-Verstoss in einer grossen Viehherde. Sobald die Kaninchenhaltung nicht im Hobbystatus betrieben wird (Anmeldung Raus oder BTS-Programm / Vermarktung von Produkten), sind die Konsequenzen identisch.
Wenn die Muttermilch fehlt oder zu knapp ist
Die Nachkommen der Säugetiere müssen auf einem Biobetrieb während eines festgeschriebenen Zeitraumes mit unveränderter Muttermilch ernährt werden. Die vielfach praktizierte Ansäuerung der Milch mit Knospe- Essig, Milch, Joghurt, Fruchtsaft, Sauermilch oder Kefir gilt dabei nicht als Veränderung der Muttermilch und ist explizit erlaubt. Der Zeitraum, in welcher die Richtlinien die unverändert angebotene Muttermilch zur Pflicht erklären, beträgt:
- Rinder, Büffel, Bison und Pferdeartige: 3 Monate
- Schafe und Ziegen: 35 Tage
- Schweine: 42 Tage
Ausgelöst durch Krankheit, Ableben, fehlenden Mutterinstinkt oder als Folge von Mehrlingsgeburten können Probleme mit der notwendigen Muttermilch auftauchen. Bei Gitzi und Lämmern darf nach einer medizinischen Indikation Milchpulver eingesetzt werden. Da dieses vielfach nicht in biologischer Qualität verfügbar ist, darf ausnahmsweise auf einen nicht-biologischen Milchaustauscher zurückgegriffen werden. Dessen Einsatz muss im Behandlungsjournal aufgeführt werden. Eine Bewilligung der FIBL Futtermittelgruppe ist in diesen Notfällen nicht notwendig. Der kategorische Einsatz von (nicht-biologischem) Milchpulver zur Aufzucht ist untersagt.
Der Hochstamm-Obstbau besitzt einen speziellen Status
Bald beginnt die Zeit, in welcher das Setzen junger Obstbäume vielerorts ein zentrales Thema wird. In aller Regel wird dieses vegetative Vermehrungsmaterial der Stufe 2 (Bio gleich Regel) zugeordnet. Dies bedeutet, dass die Jungbäume aus biologischer Produktion stammen müssen. Der Einsatz von nicht biologischem Vermehrungsmaterial ist nur statthaft mit einer Ausnahmebewilligung der FIBL Saatgutstelle.
Die Bio Suisse Richtlinien fordern zusätzlich die Verwendung von jungen Obstbäumen aus Knospe-Inlandproduktion, wie dies auch für Beeren und Reben Pflicht ist. Ohne Sanktion wird das Setzen von fünf nicht-biologischen Hochstammobstbäumen pro Jahr geduldet. Dieser Passus verschafft damit jungen Hochstamm-Obstbäumen einen Spezialstatus mit dem Ziel, zu deren Erhaltung beizutragen. Unsere Auditor*innen bestätigen vielfach, dass zahlreiche Betriebe von dieser Erleichterung Gebrauch machen.
Die Verpachtung des Bienenhauses benötigt einen Vertrag
Die Vermietung von Gebäuden an nicht biologische Bewirtschafter*innen ist nur unter Auflagen und an Bedingungen gebunden möglich. Jede diesbezügliche Absicht sollte zwingend vorgängig mit der Kontrollstelle abgesprochen werden. Möglicherweise benötigt die ins Auge gefasste Verpachtung eine Beurteilung durch die MKA Bio Suisse oder durch das zuständige Landwirtschaftsamt.
Eine Ausnahme bilden dabei Bienenhäuser. Diese können ohne Einhaltung von Distanzlimiten oder sonstigen Auflagen an nicht biologisch wirtschaftende Imkerinnen vermietet werden. Die Bedingung dafür ist ein vorhandener Auslagerungsvertrag. Falls Honig aus dieser Imkerei im Hofladen angeboten wird, darf kein Hinweis auf den Biobetrieb ersichtlich sein. Dies betrifft vor allem die Etikette. Zusätzlich muss dieses Produkt abgetrennt von den Bioprodukten und klar ersichtlich als «nicht biologisch» ausgelobt werden.
Lammschwänze, Mineralstoffkessel und Einzelboxen
Zum Schluss möchten wir noch gerne auf ein paar neuralgische Punkte hinweisen, welche während der letzten Wochen Kontrollstolpersteine darstellten.
- Lämmerschwänze dürfen nur auf Verordnung einer Tierärztin und unter Schmerzausschaltung kupiert werden
- Nur in der Betriebsmittelliste aufgeführte Mineralstoffe sollten eingesetzt werden. Ein falscher Mineralstoffkessel auf einer Kuhweide mit 20 Milchkühen löst eine Direktzahlungs-Kürzung von 2000 Franken aus und steht in keinem Verhältnis zu ein paar klimpernden Münzen, welche der Fehlkessel billiger im Ankauf war
- Bio Suisse Kälber dürfen maximal eine Woche in einer Einzelboxe gehalten werden. Deren Aufenthalt im Einzeliglu darf acht Wochen nicht überschreiten. Für beide Übergangsformen muss der stetige Sichtkontakt zu Artgenossen gewährleistet sein.
Das Feld des Bioregelwerks ist weit. Die Praktiker*innen an unserer Hotline finden sich darin spielend zurecht. Bei allen auftauchenden Fragen und Unsicherheiten lohnt sich ein Anruf in jedem Fall.
Andreas Müller, Bioinspecta
Weiterführende Informationen
Hotline der Bioinspecta (Mo-Fr 8-12 Uhr und 13-17 Uhr) für anstehende Fragen zum Regelwerk
Merkblatt Innere Parasiten der Rinder mit Weidemanagement nachhaltig regulieren (fibl.org)
Die Richtlinien von Bio Suisse Unkrautregulierung unter 2.6. und Kaninchenhaltung unter 5.6 (bio-suisse.ch)
Bestätigung Verpachtung Bienen (bio-inspecta.ch)