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Regulierung des Kartoffelkäfers

In den letzten Jahren wurden immer mehr Schäden in Biokartoffeln durch den Kartoffelkäfer verursacht. Eine frühe Behandlung während der ersten beiden Larvenstadien bringt den besten Erfolg.

Wichtig ist eine regelmässige Kontrolle aller Bereiche der Felder. Die Schadschwelle liegt bei durchschnittlich einem Eigelege oder zehn Larven je Pflanze. Geschieht der Einflug nur in den Rand der Parzelle, kann dieser Bereich alleine behandelt werden.

Es sind mehrere Faktoren, die zu einem immer grösseren Auftreten dieses Schädlings führen dürften. Sicher führen die hohen Temperaturen der vergangenen Sommer zu einer höheren Entwicklungsgeschwindigkeit und Aktivität dieses Insekts. In der Folge kann mehr als nur ein Entwicklungszyklus pro Saison abgeschlossen werden: Der zweiten Generation gelingt auch der Reifungsfrass vor dem Winter und hie und da werden gar drei Generationen von Larven beobachtet. Die milden Winter lassen zudem die Ausfallkartoffeln nicht mehr erfrieren. Werden diese nicht bekämpft, stehen sie beispielsweise unbemerkt im Weizen und Käfer können sich ungestört vermehren. Ein weiterer Faktor ist mutmasslich die Situation bei den zugelassenen Pflanzenschutzmitteln: In den vergangenen Jahren kam es regelmässig zu einer Unterversorgung mit dem einzigen auf der FiBL-Betriebsmittelliste aufgeführten Mittel gegen den Kartoffelkäfer.

Nun ist Novodor, trotz noch gültiger Zulassung in der Schweiz, ganz vom Markt verschwunden. Die Zulassung in der EU ist ausgelaufen und eine Wiederzulassung würde sich wohl für den Hersteller nicht rechnen, da das Produkt zu wenig Anwendung findet. Als Reaktion auf diesen Rückschlag hat Bio Suisse neu Neem-basierte Pflanzenschutzmittel in die FiBL-Betriebsmittelliste aufgenommen.

Im Folgenden können Sie sich einen Überblick über interessante Themenbereiche rund um den Kartoffelkäfer verschaffen.

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Film: Tipps zur Regulierung des Kartoffelkäfers

Der Kartoffelkäfer ist ein zunehmendes Problem im Biokartoffelbau. 2021 gibt es kein B.t.-Produkt mehr auf dem Markt, daher müssen neu Neem-Produkte eingesetzt werden. Tobias Gelencsér vom FiBL zeigt auf, was bei der Entscheidung über Massnahmen zu beachten ist.

Zum Film (FiBL-YouTube-Kanal)

Biologie des Kartoffelkäfers

Der Kartoffelkäfer überwintert als Käfer in der Nähe des abgeernteten Kartoffelfeldes ca. zwanzig bis fünfzig Zentimeter tief in der Erde. Meist im Mai, bei einer durchschnittlichen Tages-/Bodentemperatur von etwa 14°C, kommen sie aus ihren Winterverstecken und wandern in die nahegelegenen Kartoffelfelder. Der Zeitpunkt, wann die Käfer aus der Winterruhe erwachen, hängt vom Erreichen einer Temperatursumme im Boden ab. Je intensiver die Erwärmung geschieht (hohe Temperuren über viele Tage), desto mehr Käfer suchen gleichzeitig die Kartoffelfelder auf und desto mehr gleichzeitige Eiablagen sind zu beobachten. Die Suche nach Wirtspflanze geschieht über visuelle und olfaktorische Reize. Kartoffelkäfer fliegen die Farbe Gelb an und werden von verschiedenen Duftstoffen der Kartoffelpflanze angezogen. Es hat sich gezeigt, dass kleine Pflanzen bis 25 cm Höhe kaum attraktiv sind, grosse Pflanzen mit 60 cm Höhe werden aber gerne angeflogen. Verletzte Pflanzen, zum Beispiel verletzt bei Pflegemassnahmen oder durch Käferfrass, geben flüchtige Stoffe ab, die Kartoffelkäfer stark anlocken.

Nach einem zweiwöchigen Reifungsfrass und mehreren Paarungen beginnen die Weibchen mit der Eiablage. Die anfangs hellen, später orangeroten, etwa 1.5 mm langen Eier werden in Häufchen zu zehn bis dreissig Eiern auf der Blattunterseite abgelegt. Ein Weibchen kann insgesamt sehr viele Eier ablegen, die Angaben variieren je nach Quelle von 200 bis 2000 Eiern. Abhängig von der herrschenden Temperatur nach vier bis vierzehn Tagen schlüpfen die Larven aus ihren Gelegen und beginnen Löcher in die Blätter zu fressen.

Eine Kartoffelkäfer-Larve häutet sich dreimal und durchlebt somit vier Larvenstadien. Im ersten Stadium ist die Larve zwischen zwei und drei Millimeter gross. Mit jedem Häutungsvorgang wächst die Larve, bis sie im vierten Stadium rund fünfzehn Millimeter gross ist und die Form einer Birne hat. Abhängig von Temperatur und Nahrungsangebot verpuppt sie sich nach vierzehn- bis dreissigtägiger Frasstätigkeit rund zwanzig Zentimeter tief im lockeren Boden der Kartoffelfelder. Nach einer vierzehntägigen Puppenruhe schlüpfen die neuen Käfer anfangs Juli und fressen sich weiter durch die Kartoffelbestände. Die ganze Entwicklung dauert durchschnittlich sechs Wochen. Je nach Klima und Höhenlage kann ein zweiter Zyklus durchlaufen werden bevor sich die Tiere wieder in ihr Winterquartier vergraben. Die ganze Entwicklungsdauer hängt wie allgemein bei Insekten stark von der Umgebungstemperatur ab.

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Vorbeugende Massnahmen

Folgende vorbeugende Massnahmen können den Schaden durch den Kartoffelkäfer vermindern:

Fruchtfolge und genügend Abstand zum letztjährigen Kartoffelfeld (mindestens 500 m).

Der Kartoffelkäfer überwintert im Kartoffelfeld. Mit einem genügend grossen Abstand kann die Einwanderung im Frühjahr aus den alten Flächen minimiert werden. Studien weisen darauf hin, dass der Einflug im Frühjahr auch zufällig sein könnte, also ohne Lockreiz durch die jungen Kartoffelstauden. Isolierte Lagen mit geringer Kartoffeldichte führen auch zu weniger Befall. Eine Nachbarschaft zu Frühkartoffelflächen kann nachteilig sein, weil die Käfer beim Roden von dort her einfliegen können.

Durchwuchskartoffeln konsequent vermeiden und bekämpfen.

Durchwuchskartoffeln werden anders als die Kartoffeln in der Kultur nicht mit Pflanzenschutzmitteln behandelt, daher können sich dort Kartoffelkäfer und Krankheiten ungestört vermehren und von dort aus in die Kulturen einwandern. Deshalb: Bei der Ernte möglichst wenige Kartoffeln auf dem Feld belassen, Kartoffelquetsche einsetzen; Nach der Ernte das Kartoffelfeld nicht pflügen, sondern Grubbern, um Kartoffeln nicht tiefer zu vergraben und eher dem winterlichen Frost auszusetzen; Nach Kartoffeln Hackfrucht (riskant bei übermässig Ausfallkartoffeln, da im Reihenbereich Handarbeit nötig) oder stark unterdrückende Kultur (zum Beispiel Kunstwiese oder Getreide mit Stoppelbearbeitung).

Frühe Sorten wählen und vorkeimen.

So hat die Kartoffelpflanze zum Zeitpunkt des Käfereinflugs einen Entwicklungsvorsprung. Es wird bereits viel Ertrag gebildet, bevor sich die Käfer in der Sommerhitze rasant entwickeln und durch den Blattflächenverlust der tägliche Ertragszuwachs sinkt.

Natürliche Feinde fördern.

Es sind einige Organismen bekannt, die den Kartoffelkäfer schädigen. Im Feld beobachtet wurden zum Beispiel Wespen, Heuschrecken und Wanzen beim Frass von Kartoffelkäferlarven. In diesem Gebiet besteht noch ein grosser Forschungsbedarf (siehe Forschungsprojekte am FiBL).

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Bestandeskontrolle

Die regelmässige Bestandeskontrolle ist ein unabdingbares Instrument, um über angepasste Massnahmen zu entscheiden. Die Kontrolle des Kartoffelkäfers beginnt bereits beim Auflaufen der Kartoffeln. In Deutschland wird ein Modell zur Vorhersage des Erstauftretens der Kartoffelkäfer verwendet: Link.

  • Die Käfer können schon kurz nach dem Auflaufen der Kartoffeln erscheinen, verstärkt bei Bodentemperaturen über 14°C.
  • Zwei Wochen nach dem Auftreten der Käfer sind die Eigelege zu finden.
  • Die Larven schlüpfen im Frühjahr in der Regel rund acht bis vierzehn Tage nach der Eiablage.

Bei der Kontrolle ist es sinnvoll, sich Gedanken darüber zu machen, aus welcher Richtung die Käfer wahrscheinlich einfliegen werden, sprich wo im vorigen Jahr Kartoffeln angebaut wurden. Häufig reicht es aus, eine Teilflächenbehandlung an demjenigen Feldrand vorzunehmen, wo die Käfer eingeflogen sind.

Zur Kontrolle sollten die Feldränder abgeschritten und einmal durch die Feldmitte gegangen werden. Mit einem Stab oder Werkzeugstiel kann das Laub einiger Stauden gleichzeitig hochgehoben werden und die Blattunterseiten können nach Eigelegen abgesucht werden. Nach dem Schlupf fressen die kleinen Larven als erstes die Hüllen der Eier, daher findet man diese nach dem Schlupf nicht mehr auf den Blattunterseiten. Danach wandern die kleinen Larven an der Pflanze aufwärts und sind so häufig in den Wipfeln zu finden, wo die zartesten Blätter sich gerade entfalten. Bei schlechtem Wetter verkriechen sie sich gerne zu den Blattachseln, so dass sie kaum gefunden werden.

Die Schadschwelle wird für die Biomittel mit durchschnittlich einem Eigelege je Staude oder zehn Larven pro Pflanze angegeben. Allerdings ist die Schadschwelle der Entwicklung der Kartoffeln anzupassen. Die ersten Larven im Jahr können den grössten Schaden anrichten, weil sie im ausgewachsenen Stadium wieder Eier legen können und über ihre Nachkommen ein Vielfaches an Blattfläche fressen. Je mehr Ertrag bereits gebildet wurde, desto weniger schädlich ist der Blattfrass, bis er zuletzt sogar bei der Krautregulierung hilft.

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Direkte Massnahmen

Neem-Produkte

Neem-Produkte sind natürlichen Ursprungs und werden aus den Samen des tropischen Neembaumes gewonnen. Sie enthalten den Wirkstoff Azadirachtin und wirken frassabschreckend. Es ist zudem ein Häutungshemmer. Es wurde auch eine verminderte Fruchtbarkeit bei den weiblichen Kartoffelkäfern nachgewiesen, die während des Reifungsfrasses Azadirachtin aufnahmen.

Die Mittel werden kaum abgewaschen und entfalten ihre Wirkung langsam in den sieben bis zehn folgenden Tagen nach der Applikation. Der ideale Einsatzzeitpunkt ist zur Zeit der höchsten Eischlupfrate. Das Mittel wirkt vor allem auf die kleinen, bis vier Millimeter langen Larven. Gegen Käfer hat es kaum direkte Wirkung, reduziert aber die Fruchtbarkeit von Weibchen. Es darf in der Schweiz laut Zulassung des Bundesamtes für Landwirtschaft BLW zweimal pro Kultur eingesetzt werden. Auf Ersuchen vom FiBL wurden für das Jahr 2021 zwei zusätzliche Behandlungen bewilligt, so dass 2021 total vier Behandlungen zulässig sind. Gute Resultate konnten durch eine zweimalige Behandlung mit einer Woche Abstand erzielt werden. Grössere Larven werden schlechter erfasst, Azadirachtin sollte daher tendenziell früh eingesetzt werden, zum Zeitpunkt der grössten Schlupfrate. Das Mittel sollte mit Bedacht angewendet werden, denn es ist auch für Nützlinge wie die Marienkäfer oder Flor- und Schwebefliegen schwach schädigend.

Neem-Produkte sollten zum Schutz vor UV-Strahlung und Abwaschung während des Antrocknens eher abends und spätestens sechs Stunden vor Regen oder Bewässerung ausgebracht werden. Einmal angetrocknet werden Neem-Produkte nicht mehr abgewaschen. Ein Anmischen in der Spritze mit den gängigen Kupfermitteln ist problemlos möglich.

Der ideale Einsatzzeitpunkt ist zur Zeit der höchsten Eischlupfrate. Dieser ist in der Regel zwei Wochen nach dem massenhaft Eigelege abgelegt werde. Wer also Ausschau nach Eigelegen hält und anschliessend zuwartet, wird mit seiner Applikation den besten Effekt erzielen.

Vergleichstabelle der beiden Wirkstoffe B.t.t. und Azadirachtin

 

Bacillus thuringiensis tenebrionis

Azadirachtin

Zulassung Bio Suisse: Zulassung in Kartoffeln Bio Suisse: Zulassung in Kartoffeln
Produkte Novodor FC, weitere siehe Betriebsmittelliste NeemAzal-T/S, weitere siehe Betriebsmittelliste
Dosierung 3 bis 5 Liter pro Hektare, bei grösseren Larven 5 Liter empfohlen 2.5 Liter pro Hektare
Anzahl Applikationen unbeschränkt 2 plus 2 befristet für 2021
Wirkungsdauer 3 bis 4 Tage Ca. 7 bis 10 Tage
Wirkungseintritt rasch (wenige Tage) langsam
Regenbeständigkeit schlecht gut
Kosten Mittel pro Hektare 139 Franken pro Hektare (5Liter); nicht mehr erhältlich 217 Franken pro Hektare
Mischbarkeit mit Kupfer ja, erst unmittelbar vor Ausbringung anmischen problemlos
Empfindlichkeit auf UV-Licht vor dem Antrocknen: hoch vor dem Antrocknen: hoch

 

Novodor

Das Produkt Novodor FC enthält Bakterien des Stammes Bacillus thuringiensis tenebrionis. Diese Bakterien gelangen beim Blattfrass in den Darm der Larven und werden dort aufgelöst. Dabei werden Toxine aus den Bakterien freigesetzt, welche die Darmwand der Larven durchlöchern und zum Tod führen. Dieses Mittel passt hervorragend zum biologischen Landbau, weil es natürlichen Ursprungs ist und sehr spezifisch wirkt, das heisst Nützlinge werden kaum beeinträchtigt.

Ideal wäre eigentlich eine kombinierte Regulierung des Kartoffelkäfers mit Neem-Produkten zu Beginn der Saison und Novodor im Anschluss. Sind die Larven noch in kleinen Stadien, so ist der Blattfrass pro Tag noch klein und eine langsamere Wirkung kann in Kauf genommen werden. Je grösser die Larven werden, desto rascher möchte man den Blattfrass stoppen, desto eher ist der Einsatz von Novodor angebracht. Noch vorhandene Novodor-Restposten, sollten also für eine zweite oder dritte Spritzung aufgespart werden. Wobei auch Novodor spät abends oder bei wenig Taubildung morgens gespritzt werden sollte, denn es ist UV-empfindlich, solange das Mittel nicht angetrocknet ist. Da Novodor abgewaschen wird, sollte es nicht vor angekündigtem Regen oder Bewässerung appliziert werden.

Spinosad

Der Wirkstoff Spinosad wird nicht zugelassen, weil er zu wenig spezifisch wirkt und zudem teilweise als bienengefährlich eingestuft wird.

Bio-Collector

Eine alternative Bekämpfungsmöglichkeit bietet das absaugen der Käfer und der Larven mit dem Bio-Collector. Dieser wird an der Fronthydraulik aufgehängt und bläst per Luftstrom durch die Zeilen, die fallenden Käfer und Larven werden unter dem Laub in ein Auffangbehälter gesammelt. Je nach Arbeitsbreite kann eine Arbeitsleistung von bis zu einer Hektare pro Stunde erreicht werden. Der Absammelerfolg liegt zwischen 85 und 95%. Ein Problem ist die mangelnde Selektivität der Maschine, auch Nützlinge werden abgesammelt. Vor dem Beseitigen den Kartoffelkäferlarven sollte daher den Nützlingen die Möglichkeit zum Wegfliegen geboten werden. Die Maschine wird nicht mehr produziert, ältere Geräte sind aber noch im Einsatz und womöglich zu erwerben.

Tobias Gelencsér und Mathias Christen, FiBL

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Weiterführende Informationen

 

Letzte Aktualisierung dieser Seite: 19.05.2021

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