Eine der besten Brennpflaumen der Schweiz
In den alten Obstfachbüchern ist die Sorte Löhrpflaume noch nicht zu finden. Erst Anfang der Fünfzigerjahre tauchen erste schriftliche Hinweise im Zusammenhang mit einer Brennerei im Berner Seeland auf. Dort beginnt die Geschichte der Löhrpflaume, eine der besten Brennpflaumen der Schweiz.
Dieses Prädikat erhielt die kleine Pflaume dank ihrer Fruchteigenschaften, die alle Voraussetzungen für die Herstellung eines hervorragenden Fruchtbrandes erfüllen. Reife Löhrpflaumen sind saftig, sehr aromatisch und süss. Daraus entsteht ein kräftiges «Pflümliwasser», das angenehm nach Marzipan und Zimt duftet. Das klare Löhrpflaumen-Destillat wird durch die Lagerung im Holzfass zu sortenreinem Vieille Prune weiterveredelt, einem fruchtig-samtigen Digestif mit langem Abgang.
Zufallsprodukt der Natur
Erst nach dem zweiten Weltkrieg begannen die gewerblichen Brennereien, sich vermehrt mit der Qualität ihrer Destillate zu beschäftigen. Einige Brennmeister experimentierten erstmals mit sortenreinen Bränden. Der Spirituosenhändler und Bitterspirituosen-Produzent Ernst Luginbühl-Bögli war einer von ihnen. Er führte in Aarberg im Berner Seeland das Restaurant Bahnhof und baute zu dieser Zeit im gleichen Ort eine neue Brennerei.
Ende der Vierzigerjahre entdeckte Ernst Luginbühl-Bögli in der Umgebung der Dorfschaft Oltigen BE einen wild gewachsenen Baum voller kleiner Pflaumen. Die süssen und wohlschmeckenden Früchte erregten seine Aufmerksamkeit. Er erntete sie, legte sie ins Fass und brannte die vergorene Maische in seiner Brennerei.
Das gewonnene Destillat überzeugte so sehr, dass Ernst Luginbühl-Bögli eine Baumschule in Worben mit der Produktion von hochstämmigen Bäumen der neuen Sorte beauftragte. Auf seinem Bauernhof auf der Löhr in der Gemeinde Seedorf BE pflanzte er 600 Hochstämmer. Das Zufallsprodukt der Natur wurde fortan Löhrpflaume genannt. Bauern in der Umgebung legten weitere Löhrpflaumenanlagen an und verkauften die Früchte der Brennerei Luginbühl-Bögli. Das sortenrein gebrannte «Pflümliwasser» wurde ein grosser Erfolg und die Löhrpflaume zum begehrten Rohstoff für Brennereien im ganzen Land.
Gute Baumeigenschaften und mehr Ertrag
Löhrpflaumenbäume werden mittelgross, sind anspruchslos, robust und genügsam. Sie wachsen schnell und tragen bald und regelmässig Früchte. Die Sorte blüht früh und eignet sich auch für den Anbau in höheren Lagen, ist jedoch anfällig auf Spätfröste. Mit Ausnahme der Pflaumensägewespe wird die Löhrpflaume kaum von anderen Schädlingen oder Krankheitserregern befallen.
Die Pflaumensorte überzeugte vor 70 Jahren auch durch den guten Ertrag. Löhrpflaumen wurden deshalb bald von Obstbauern in der ganzen Deutsch- und Westschweiz angebaut und fanden auch den Weg nach Deutschland und Österreich. Je nach Region wird die Löhrpflaume auch Zuckerpflümli oder Zuckerpflaume von der Löhr genannt.
Löhrpflaumen erfreuten sich aber auch in der Küche grosser Beliebtheit. Mit Löhrpflaumen belegte Fruchtkuchen und sortenreine Konfitüren sind noch heute ganz besondere Spezialitäten.
Eigenwillige Reife und arbeitsintensive Ernte
Die Löhrpflaume ist erst reif, wenn sie von selbst vom Baum fällt. Bis alle Früchte am Boden sind, dauert es drei bis vier Wochen. Während dieser Zeit müssen die Pflaumen alle ein bis zwei Tage aufgelesen und so schnell wie möglich verarbeitet werden.
Die aufwändige Ernte und das Aufkommen ertragreicherer Sorten haben zu einem starken Rückgang der Löhrpflaumen-Bäume geführt. Als Rohstoff für exquisite Fruchtbrände und andere Spezialitäten lohnt sich der Anbau dieser robusten und vielseitigen Sorte nach wie vor. Fructus empfiehlt die Löhrpflaume deshalb für den Anbau im extensiven Feldobstbau und in Selbstversorgeranlagen. Die Sorte lässt sich auch in Niederstammanlagen kultivieren.
Alte Obstsorten wie die Löhrpflaume sorgen für kulinarische und farbenfrohe Abwechslung im Obstangebot. Die Ernennung zur Schweizer Obstsorte des Jahres 2023 soll dazu beitragen, dass dieses schöne Zufallsprodukt der Natur und ihre Geschichte als Teil der Schweizer Biodiversität und Kultur erhalten bleibt.
Franziska Oertli, Fructus Projektleiterin Schweizer Obstsorte des Jahres
Quelle: Medienmitteilung Fructus
Weiterführende Informationen
Tafelzwetschgensorten: Eignung für den Bioanbau (Rubrik Pflanzenbau)
Biosteinobstbulletin (Rubrik Pflanzenbau)
Fructus (Vereinswebseite)