Die Redaktion von bioaktuell.ch bioactualites.ch startet mit diesem Beitrag eine neue Interviewreihe, in der jene zu Wort kommen, die sich tagtäglich für die Entwicklung der Biobewegung einsetzen: die Präsidentinnen und Präsidenten der Mitgliedorganisationen (MO) von Bio Suisse. Es ist eine Gelegenheit, mit ihnen über das zu sprechen, was sie antreibt, woran sie arbeiten, worauf sie hoffen und was sie als Produzierende beschäftigt.
Was ist Ihr Eindruck nach der achten Ausgabe der Bio Agri-Messe in Moudon?
Gérald Huber: Das Interesse an der Bio Agri wächst jedes Jahr – sowohl beim Publikum als auch bei Bäuerinnen, Bauern und Ausstellenden. Man spürt, dass wir hier auf ein Bedürfnis reagieren: den Wunsch, die Verbindung zwischen Konsumierenden und Landwirtschaft zu stärken. In den acht bisherigen Ausgaben ist es uns gelungen, das Konzept weiterzuentwickeln – alle Berufe rund um Boden und Ernährung einzubinden und die Messe als familienfreundliches Ereignis zu positionieren.
Spiegelt sich dieses Interesse auch im Konsumverhalten auf dem Biomarkt – zumindest im Kanton Waadt?
Auch wenn Bioprodukte in den letzten Jahren stark an Verbreitung gewonnen haben, haften ihnen immer noch die Etiketten «zu teuer" und "Luxussegment» an – befeuert durch die mediale Berichterstattung und die «Premium»-Positionierung der Händler. Bio leidet unter dem Rückgang der Kaufkraft der Konsumierenden.
Dass Bio gut für Umwelt und Biodiversität ist, ist allgemein anerkannt – reicht aber nicht mehr aus, um Kaufentscheide auszulösen. Die Menschen haben sich in den letzten Jahren stärker auf sich selbst zurückgezogen. Wer Konsumgewohnheiten zugunsten von Bio verändern will, muss heute stärker das Individuum ansprechen. Es geht darum, die Botschaft zu vermitteln: «Gut für Ihre Gesundheit und die Ihrer Familie» – das wirkt besser als «gut für den Planeten».
Trotzdem müssen die positiven externen Effekte von Bio weiterhin klar kommuniziert werden – gegenüber Konsument*innen ebenso wie gegenüber den Behörden.
Wie sieht Ihre Vision für die Vermarktung von Bioprodukten aus?
Für mich basiert sie auf zwei Säulen: erstens, die Entwicklung regional verankerter Wertschöpfungsketten – und zweitens, eine stärkere Diversifizierung der Verkaufskanäle: Fachgeschäfte, Gemeinschaftsverpflegung, Gastronomie usw.
Ein Beispiel: Der Kanton Waadt produziert aktuell 173 Prozent seines Kartoffelbedarfs und 125 Prozent seines Zuckerbedarfs – gleichzeitig fehlt es an pflanzlichen Proteinen und Gemüse. Das mag zunächst überraschen, doch wenn wir unsere Wertschöpfungsketten stärker regional ausrichten, können wir unsere Ernährungssouveränität steigern.
Die Industrialisierung und die Abhängigkeit von fossilen Energien haben unsere Ernährung anfällig gemacht. Wenn wir unsere Wertschöpfungsketten regional denken, können wir ihre Resilienz stärken.
Was ist Ihre Priorität als Präsident von BioVaud?
Zuerst einmal: die Professionalisierung und Institutionalisierung unserer Organisation weiter voranzutreiben, um den Bedürfnissen unserer Mitglieder gerecht zu werden.
Gleichzeitig müssen wir dafür kämpfen, dass unser Beruf attraktiv bleibt. Neue Bäuerinnen und Bauern zu gewinnen, die unsere ländlichen Räume lebendig halten, ist zentral. Ebenso müssen wir die Rahmenbedingungen an eine handwerkliche, kleinstrukturierte Landwirtschaft anpassen. Wenn wir das nicht tun, wird die Landwirtschaft in zehn bis fünfzehn Jahren vermehrt von externen Kapitalgebern geprägt sein – und die teilen nicht zwingend unsere Vision.
Zudem finde ich: Der Markt muss Teil der Lösung sein – nicht das Problem. In unserem Produktionsmodell sollte der Markt in der Lage sein, die Vielfalt dessen aufzunehmen, was wir erzeugen. Wenn Landwirtschaft und Ernährung zusammenpassen und stimmig sein sollen, muss sich die Nachfrage stärker dem Angebot anpassen. Unsere Partner sollten hier auch mehr in Marketing investieren.
Um einerseits robuste standortangepasste Kulturen zu fördern (zum Beispiel Rebsorten, Kartoffeln, Obst) und andererseits die gesellschaftlichen Herausforderungen zu meistern – auch mit Unterstützung öffentlicher Gelder – braucht es branchenweite Abkommen mit Beteiligung aller Akteure, inklusive des Staates.
Wie empfinden Sie die Stimmung innerhalb Ihrer Organisation?
Unsere Mitglieder sind nach wie vor motiviert, engagiert und innovationsfreudig. Aber sie wünschen sich deutlich, dass ihr Wissen und ihre Fähigkeiten ernst genommen werden.
Ein Biolandwirt sagte mir vor 15 Jahren einen Satz, der mich bis heute begleitet: «Diejenigen, die nah an den Problemen sind, werden auch die Lösungen finden.» Das ist so wahr – und so pragmatisch!
Deshalb bemühen wir uns bei BioVaud, unsere Projekte stets gemeinsam mit unseren Mitgliedern zu reflektieren: Wir holen Rückmeldungen ein, prüfen die Relevanz unserer Ideen, hinterfragen Entscheidungen. In der Biobewegung insgesamt sehe ich einen echten Katalysator für die Landwirtschaft – Innovation und neue Ansätze müssen aber von Organisationen getragen werden, die wirklich den Willen zur Veränderung haben und mit Dynamik vorangehen.
Welche Baustellen müssen angegangen werden, damit die Biobewegung weiterlebt?
Für mich ist entscheidend, dass alle Akteur*innen der Biobewegung eine realistische und objektive Einschätzung des Konsum- und Kaufverhaltens entwickeln – nur so können wir unsere Marktanteile halten und ausbauen. Wir müssen den Konsum von Schweizer Bioprodukten steigern!
Interview durch Claire Berbain, FiBL.
Weiterführende Informationen
BioVaud (biovaud.ch)