Thomas Joss vor seinem Hofladen. Die Vermarktung der Haskap-Beeren ist nicht nur einfach: «Auf uns hat niemand gewartet», sagt er. Foto: Jasmine Baumann, LID
Eine Auswahl der Haskap-Produkte im Hofladen: Schorle, Sirup, Fruchtaufstrich und Pulver. Foto: Jasmine Baumann, LID
Fast wie kleine blaue Fläschchen sehen sie aus, die Haskap-Beeren. Sie sind auch bekannt unter den Namen Maibeere, Blaue Heckenkirsche oder Kamtschatka-Heckenkirsche. Der lateinische Name ist Lonicera. Seinen Ursprung hat der Strauch in Sibirien, auf Kamtschatka in Nordostasien und auf den Kurilen in Russland.
Die Pflanzen gedeihen auch in unseren Breitengraden sehr gut, wie auf dem Biohof Oberzinggen in Hellbühl im Kanton Luzern zu beobachten ist.
Keine Pflanzenschutzmittel
«Wir haben nach einer Ergänzung gesucht zu unseren Erdbeeren und Himbeeren», sagt Thomas Joss. Weil der Markt bei den Aronia-Beeren bereits gut gedeckt war, sei er auf die Haskap-Beeren gestossen.
Diese sind robust im Anbau und nicht anfällig auf Frost. Die Blüten treiben bereits im März aus und ertragen bis zu -8°C. Da Haskap-Sträucher hierzulande nicht einheimisch sind, haben sie bisher auch keine Krankheiten und Schädlinge. Auf Pflanzenschutzmittel kann Familie Joss hier komplett verzichten. Das Unkraut hingegen sei ein Problem, welches der Landwirt zu Beginn unterschätzt habe.
Reich an Antioxydantien und Antocyanen
Bekannt sind Haskap-Beeren, besonders in Japan, wegen ihren Inhaltsstoffen. Sie sind reich an Antioxidantien wie die Vitamine A, C und E. Ausserdem enthalten sie auch Eisen, Magnesium und Calcium sowie Anthocyane.
Anthocyane sind wasserlösliche Pflanzenfarbstoffe, die in vielen Blüten und Beeren vorkommen, welche intensiv rot, violett oder bläulich sind. Sie haben antioxydative Wirkung. Ihnen wird zugeschrieben, dass sie im Körper freie Radikale binden und die DNA schützen können. Diese Wirkungen sind jedoch nicht wissenschaftlich erwiesen.
«Die gesundheitliche Wirkung bewerben wir nicht gross bei den Haskap-Beeren», sagt auch Thomas Joss. Dies auszuloben sei einem als Lebensmittelproduzent ohnehin nicht gestattet. Hingegen wird in der Vermarktung der Geschmack in den Vordergrund gerückt.
Ökologischer Mehrwert
Haskap-Beeren sind süss-säuerlich. Ihr Geschmack erinnert an eine Mischung aus Cassis, Himbeere, Holunder und wilden Heidelbeeren. Zudem variiert der Geschmack je nach Haskap-Sorte. 2017 haben Anna und Thomas auf dem Biohof Oberzinggen 6 Hektaren der Sträucher mit verschiedenen Sorten angepflanzt. Es sind Kreuzungen aus Wildformen aus Nordamerika. Diese haben etwas mehr Geschmack und bieten auch einen besseren Ertrag.
Der Anbau von Haskap-Beeren hat auch einen ökologischen Mehrwert. Dies einerseits, weil die Wildpflanzen keine Pflanzenschutzmittel benötigen. Ausserdem ist die Sträucher-Hecke beliebt bei zahlreichen Vögeln und anderen Kleintieren. Da die Sträucher bereits im März blühen, sind ihre Pollen und ihr Nektar wertvoll für Hummeln und andere Insekten.
Ernte mit umgebautem Traubenvollernter
Erntereif sind die frühreifen Beeren bereits Ende Mai bis Anfang Juni. Auf dem Biohof erntet sie die Bauernfamilie maschinell mit einem umgebauten Traubenvollernter. Anschliessend werden sie auf einem spezialisierten Betrieb gepresst und als Saft zurückbezogen. Der Oberzinggenhof verarbeitet den Saft dann weitet zu Produkten wie Sirup, Gelée, Schorle oder Essig.
Andererseits gibt es auch Fruchtstoffe daraus, welche an externe Verarbeiter wie Getränkefirmen und Molkereien verkauft werden. So stellt zum Beispiel die Gelateria «Kalte Lust» ein Haskap-Glacé her. Die Getränkeherstellerin Komeo in Malters braut ein Kombucha-Tee mit Haskap-Beeren. Ausserdem produziert Swiss Alpine Herbs in Därstetten eine Apfel-Beeren-Teemischung mit Haskap-Trester. Sogar ein Sauerbier entsteht aus der sibirischen Beere.
So rosig wie es nun klingt, sei der Absatz der Haskap-Produkte jedoch nicht, sagt der Landwirt: «Auf uns hat niemand gewartet – Haskap-Beeren kennt niemand und braucht niemand.» So sei es sehr schwer, grössere Verarbeiter zu finden, welche Haskap-Beeren zum Verarbeiten einsetzen. Ein Problem dabei sei auch der höhere Preis im Vergleich zu anderen Fruchtstoffen, die oft nicht aus der Schweiz kommen. Weil der Absatz trotz vieler Anstrengungen nicht besser geworden ist, will Familie Joss die Haskap-Beeren-Produktion nun reduzieren.
«Haltbarmacherei» aus Zürich übernommen
Momentan gehen zwei Drittel der Haskap-Beeren zu externen Verarbeitern und ein Drittel verarbeitet der Biohof Oberzinggen in der Manufaktur «Haltbarmacherei». Joss hat die «Haltbarmacherei» aus Zürich kurzerhand übernommen, als diese den Betrieb aufgeben wollten. Die Haltbarmacherei war ein wichtiger Abnehmer für die Erdbeeren, Himbeeren und Haskap-Beeren.
Bereits zuvor hatten die Familie Joss und ihre Mitarbeiter einige ihrer Produkte auf dem Hof in einem professionellen Verarbeitungsraum in Handarbeit verarbeitet.
Heute führt der gelernte Koch Michael Brunner die «Haltbarmacherei» sowie die Produktion vom Biohof Oberzinggen in einem 100-Prozent-Pensum. Er stellt in der Manufaktur vor allem Sirup, Konfitüre und Getränke her. Dazu kommen Spezialprodukte für externe Kunden, wie zum Beispiel Kalamansi-Saft für ein Asiatisches Restaurant.
Warum sind die Produkte teurer?
Die Manufaktur ist Bio-Suisse-zertifiziert. Das heisst, dass alle Produkte, die das Bio-Suisse-Label tragen, mindestens 90 Prozent Schweizer Bio-Rohstoffe enthalten müssen. Es gibt Ausnahmen, wie beispielsweise Zitronensaft. Auch der Zucker muss das Bio-Suisse-Label haben. Dieser kostet für die «Haltbarmacherei» 2 Franken pro Kilogramm, also deutlich mehr als konventioneller Zucker.
Die teureren Rohstoffe und die viele Handarbeit in Kleinproduktionen erklären, warum die Produkte teurer sind als industrielle.
Alpakas beschützen Bruderhähne
Erhältlich sind die Oberzinggenhof-Produkte im eigenen Hofladen, in verschiedenen regionalen Läden und Hofläden sowie auch im Onlineshop. Im liebevoll eingerichteten Hofladen finden sich auch andere Produkte wie Alpaka-Wolle und Mützen daraus. Die Wolle stammt von den eigenen Alpakas, welche die Masthühner und Bruderhähne vor dem Fuchs beschützen. Rund 2'600 Poulets mästet Familie Joss auf ihrem Hof.
Weiter leben 38 Milchkühe auf dem Landwirtschaftsbetrieb in Hellbühl. Familie Joss führt den Betrieb in der vierten Generation. Seit 1994 ist der Oberzinggenhof Bio-Suisse-zertifiziert. Insgesamt bewirtschaftet die Familie gemeinsam mit drei Festangestellten und zwei bis drei Saisonangestellten 32 Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche. Auf einer Hektare wachsen Gemüse wie Blumenkohl und Brokkoli, auf einer halben Hektare Erbeeren und auf einer weiteren halben Hektare Himbeeren.
Jasmine Baumann, LID
Weiterführende Informationen
Die Webseite des Betriebs (biohofoberzinggen.ch)
Biobeerenanbau (Rubrik Obstbau)